Corporate Governance
Mit der grossen Bankenfusion haben die beiden UBS-Chefs plötzlich viel mehr zu tun – an ihren Nebenmandaten wollen sie aber nichts ändern. Ethos will nun eine «detaillierte Analyse» vornehmen.
23. August 2023 • Beat Schmid

Nachdem sie jahrelang operative Spitzenjobs bei der UBS innehatten, hatten sich Sergio Ermotti und Lukas Gähwiler vor ein paar Jahren auf Verwaltungsratsmandate zurückgezogen. Ermotti wurde Verwaltungsratspräsident von Swiss Re, der ehemalige Schweiz-Chef Lukas Gähwiler wechselte in den Verwaltungsrat der UBS.

Mit dem Rückzug in die Aufsichtsgremien übernahmen sie eine Reihe von Mandaten. Besonders aktiv war Lukas Gähwiler: Er zog in den Verwaltungsrat von Ringier ein und wurde Vizepräsident des Flugzeugbauers Pilatus. Zudem sitzt er in zahlreichen Spitzengremien von Branchenverbänden. Er ist Präsident des Arbeitgeberverbandes Banken und sitzt im SwissFinance Council. Seit 2022 ist er auch im Stiftungsrat von Avenir Suisse, im Vorstand von Economiesuisse und Vizepräsident der Bankiervereinigung.

Sergio Ermotti wechselte seinerseits in den Verwaltungsrat des Tessiner Verlagshauses Società Editrice del Corriere del Ticino. Laut Handelsregister ist er es noch heute. Bei Innosuisse, der Innovationsförderagentur des Bundes, zog er im März 2023 in den Verwaltungsrat ein.

Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS änderte sich die Ausgangslage komplett. Sergio Ermotti kehrte als CEO zur Bank zurück. Lukas Gähwiler, der mit der Wahl von Colm Kelleher Vizepräsident der UBS wurde, ist seit der Übernahme der CS VR-Präsident der Credit Suisse AG. In beiden Gremien ist er unter anderem Mitglied des Risk Committee.

Als Verwaltungsrat der Credit Suisse und der UBS hat Lukas Gähwiler Einblick in sehr viele Kreditpositionen von Schweizer Unternehmen. Bei ungedeckten Krediten haben UBS und Credit Suisse einen geschätzten Marktanteil von 70 Prozent. Wenn ein Schweizer Unternehmen eine Transaktion machen will und dafür zum Beispiel einen Überbrückungskredit braucht, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Lukas Gähwiler davon weiss.

Ethos will «detaillierte Analyse» zu potenzielle Interessenkonflikten vornehmen

Inwiefern stellt sich die Frage von Interessenkonflikten, wenn man gleichzeitig in den Verwaltungsräten von Unternehmen sitzt, die auf Bankdienstleitungen angewiesen sind? Vincent Kaufmann, Governance-Spezialist und Ethos-Direktor, erklärt, dass es üblich sei, dass Verwaltungsräte von Banken in Verwaltungsräten von Industrieunternehmen Einsitz nehmen, «aber leider sind wir nicht immer über die Geschäftsbeziehungen zwischen einer Bank und ihren Kunden informiert».

Deshalb sei es unabdingbar, dass die Mitglieder bei Diskussionen in den Ausstand treten, wenn Interessenkonflikte auftreten, insbesondere wenn die Bank Kredite vergibt oder Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen unterhält, in dem sie ein Mandat innehat. «Wir erwarten von den Banken, dass sie hier Transparenz schaffen und ganz klare Regeln für den Umgang mit Interessenkonflikten aufstellen», sagt Kaufmann.

Zum Umgang mit möglichen Interessenkonflikten kündigt der Ethos-Direktor eine «detaillierte Analyse» vor der nächsten UBS-Generalversammlung an. Nicht im Visier von Ethos ist Sergio Ermotti. Da er nicht Mitglied des Verwaltungsrats ist, wird er nicht von den Aktionären gewählt. Es ist deshalb Sache des Verwaltungsrates, über die Legitimität seiner Nebenämter zu entscheiden.

Die Nebenämter von Ermotti und Gähwiler per se sind nicht das Problem. Weder die Anzahl der Mandate von Ermotti noch diejenige von Gähwiler überschreiten die von Ethos festgelegten Schwellenwerte.

Die beiden UBS-Spitzenmanager wollen vorerst nichts an ihren Mandaten ändern. «Es sind gegenwärtig weder bei Sergio Ermotti noch bei Lukas Gähwiler Änderungen ihrer Mandate vorgesehen. Alle Mandate entsprechen unseren Governance-Regeln und den Best-Practice-Standards», sagt ein Sprecher auf Anfrage.

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