Cyprus Confidential
Schwerreiche russische Geschäftsleute hatten Konten bei der UBS und der Credit Suisse, wie ein neues Datenleck zeigt. Auch ein in der Schweiz einschlägig bekannter russischer Cellist taucht in der Datenflut auf. Der Druck auf die Schweizer Banken dürfte wieder zunehmen.
15. November 2023 • Beat Schmid

In den letzten Wochen war es relativ ruhig. Russische Gelder auf Schweizer Banken verschwanden wegen der Krise im Nahen Osten aus den internationalen Schlagzeilen. Das könnte sich nun wieder ändern. Das Datenleck Cyprus Confidential, an dem 270 Journalisten von 69 Medienhäusern beteiligt waren, legt zahlreiche Kundenbeziehungen von Kreml-nahen Oligarchen zu Schweizer Banken offen.

Im Fokus stehen vor allem die UBS und die Credit Suisse, wie die Tamedia-Zeitungen (Abo) heute schreiben, die an der weltweiten Datenauswertung beteiligt waren. Mindestens 20 sanktionierte Russen hatten Konten bei Schweizer Banken. Die meisten bei der UBS und der CS. In je einem Fall bei der Bank Julius Bär und bei der kleinen Basler Privatbank E. Gutzwiller & Cie Banquiers.

Eine zentrale Figur in den Enthüllungen von Cyprus Confidential ist Alexej Mordaschow, mit 20,9 Milliarden Dollar einer der reichsten Russen. Seine Firmen zahlten unter anderem Millionen an den Cellisten Sergej Roldugin, der als Strohmann Putins gilt. Roldugin ist in der Schweiz kein Unbekannter.

Verbindungen zum Fall Gazprombank

Im Sommer tauchte sein Name in einem spektakulären Prozess vor dem Zürcher Bezirksgericht auf. Angestellte der Gazprombank Schweiz wurden damals in erster Instanz wegen ungenügender Abklärungen bei Geschäftsbeziehungen mit Sergej Roldugin verurteilt. Millionenbeträge flossen über die Konten.

Spektakulär sind auch Mordaschows Verstrickungen zu einem deutschen Journalisten. Wie die Leaks zeigen, wurden im März 2019 von einem UBS-Konto einer Firma Mordaschows laut Zahlungsauftrag 405’000 Euro an eine russische Bank überwiesen. Von dort sollte am nächsten Tag der Putin-freundliche Journalist Hubert Seipel bezahlt werden, der auch in der Schweiz publizierte. Mordaschow war noch 2022 Kunde der UBS.

Auch Andrej Bokarew taucht in den Dokumenten auf. Eine Firma des ehemaligen Miteigentümers der Sturmgewehrfabrik Kalaschnikow hatte ein Konto bei der Credit Suisse. Oppositionelle werfen ihm vor, eine russische Privatarmee in der Ukraine zu unterstützen. Der Kupfermagnat Igor Altuschkin wiederum soll mit seinem Vermögen ein Freiwilligen-Bataillon unterstützen. Er war Kunde der UBS.

Auch Putins Lieblingsoligarch Alischer Usmanow taucht in den Recherchen auf. Der ehemalige Präsident des Weltfechtverbandes soll die Tageszeitung «Kommersant» gekauft und auf Kreml-Linie gebracht haben. Usmanow sei ein «Grosskunde» der Credit Suisse gewesen, heisst es. Und Alexander Mamut besass bis 2020 eine grosse russische Online-Plattform, die er zu einem «Propagandainstrument» gemacht habe, schreiben die Journalisten. Bis mindestens 2018 war er Kunde der Credit Suisse.

Weitere prominente russische Namen und ihre Verbindungen zu Schweizer Banken tauchen in den Unterlagen von Cyprus Confidential auf:
Roman Abramowitsch soll bis mindestens 2022 ein Konto bei der UBS gehabt haben.
Andrej Melnitschenko, Besitzer eines Luxusanwesens in St. Moritz, war Kunde der Credit Suisse.
• «Aluminium-König» Oleg Deripaska war Kunde der Credit Suisse.
Michail Fridman, Gründer und Miteigentümer der russischen Alfa Bank, besass eine Offshore-Firma, deren Zweck es laut einem Dokument aus dem Jahr 2016 war, ein Konto bei der Bank Julius Bär in der Schweiz zu halten.

Druck auf Schweizer Banken wird zunehmen

Die Datenlecks zeigen auch, wie die Oligarchen vorgingen, um ihre Vermögen vor den Sanktionen zu schützen. So haben Sie ihre Firmenbeteiligungen zum Teil ihren Frauen und anderen Familienangehörigen abgetreten, um nicht mehr als Hauptnutzniesser identifiziert zu werden. So geschehen bei Andrej Melnitschenko, der wenige Tage vor Verhängung der Sanktionen aus einer Stiftung zurückgetreten ist, die Aktien am Zuger Düngemittelkonzern Eurochem hielt. Seine Frau rückte damit als Nutzniesserin nach. Auch Abramowitsch schaffte kurz vor Kriegsbeginn einen Teil seines Milliardenvermögens zu Familienmitgliedern.

Überraschend an den Enthüllungen ist, dass die UBS im Geschäft mit russischen Oligarchen offenbar aktiver war, als bisher angekommen. Die Grossbank unterhielt teilweise bis ins Jahr 2022 Oligarchen-Konten. Damit wird das Bild korrigiert werden müssen, wonach vor allem die Credit Suisse die Bank der Russen war. Die UBS äusserte sich nicht zu einzelnen Kunden. Gegenüber den Journalisten erklärte sie, die Bank habe strenge Programme zur Einhaltung von Vorschriften und Sanktionen.

Die engen geschäftlichen Verflechtungen zwischen Putin-nahen Oligarchen und Schweizer Banken dürften in den USA wahrgenommen werden. Der Druck auf die Schweiz, noch mehr russische Gelder einzufrieren, wird damit weiter zunehmen.

Anmerkung vom 5.4.2024: Ursprünglich haben wir geschrieben, dass Andrej Melnitschenko wenige Tage vor Verhängung der Sanktionen den Zuger Düngemittelkonzern Eurochem seiner Frau überschrieben habe. Ein Vertreter von Melnitschenko legt Wert auf die Feststellung, dass dieser EuroChem seiner Frau nicht überschrieben habe. Richtig sei, dass er aus einer Stiftung zurückgetreten war, die Anteile an EuroChem kontrollierte. Durch diesen Schritt sei seine Frau «automatisch» zur neuen Nutzniesserin geworden. Aleksandra Melnichenko habe die Rechte aufgrund der Treuhandurkunde erworben und nicht, weil sie von Herrn Melnichenko auf sie übertragen worden waren. Wir haben die entsprechende Stelle angepasst.

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