Signa-Imperium bringt Privatbank in Schwierigkeiten
Die Zürcher Privatbank hat dem österreichischen Immobilien-Tycoon René Benko insgesamt 600 Millionen Franken geliehen. Mindestens eine Tranche davon soll sehr schlecht besichert sein.
27. November 2023 • Beat Schmid

Der Schuldenberg ist gigantisch. Auf insgesamt 13 Milliarden Euro belaufen sich die Verbindlichkeiten der Signa-Gruppe von René Benko. 7,7 Milliarden sind Kredite. Ein Grossteil davon dürften Hypotheken sein, die mit Pfandbriefen besichert sind.

606 Millionen Franken sollen von der Schweizer Privatbank Julius Bär stammen. Es handelt sich um sogenannte strukturierte Kredite. Wie Recherchen ergaben, soll die Bank dem österreichischen Finanzierer drei Kredittranchen von je 200 Millionen Franken gewährt haben.

Eine Tranche sei durch Sicherheiten gedeckt, hinter deren Werthaltigkeit ein grosses Fragezeichen zu setzen sei, sagt eine mit der Sache vertraute Quelle. Bei den Sicherheiten soll es sich um Aktien des Benko-Imperiums handeln, die durch die Turbulenzen stark an Wert verloren haben.

Sollten nun Teile des Unternehmens in Konkurs gehen, könnte der Wert der Aktien schnell gegen Null sinken. Letzten Montag gab die Bank Julius Bär eine Gewinnwarnung heraus und teilte mit, dass sie zwischen dem 31. Oktober und dem 19. November eine Rückstellung von 70 Millionen Franken verbucht habe.

Sollte die wackelige Kredittranche von 200 Millionen vollständig abgeschrieben werden müssen, drohen der Bank weitere erhebliche Abschreibungen. Ein Sprecher von Julius Bär sagte, man kommentiere keine Kundenbeziehungen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Bank eine weitere Gewinnwarnung herausgeben muss.

Enormes Klumpenrisiko

Mit dem 600-Millionen-Kredit an René Benko ist Julius Bär ein enormes Klumpenrisiko eingegangen. Das zeigt sich daran, dass die 600 Millionen fast einem ganzen Jahresgewinn entsprechen. Normalerweise sollte ein Kredit an einen einzelnen Kunden nie mehr als ein Viertel des Jahresgewinns ausmachen.

Wie konnte die Bank ein so hohes Risiko eingehen? Diese Frage müssen Bankchef Philipp Rickenbacher und Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher beantworten, über deren Tische die Kreditanträge gingen. Dem Vernehmen nach hat sich die Finanzmarktaufsicht eingeschaltet. Sollte es zu weiteren Abschreibungen im Zusammenhang mit Benko kommen, dürfte dies personelle Konsequenzen bei Julius Bär haben.

Das Kreditbuch von Julius Bär beläuft sich per Mitte 2023 auf 42,7 Milliarden Franken, wovon 34,6 Milliarden auf Lombardkredite und 8,1 Milliarden auf klassische Hypotheken entfallen. Dazu kommen strukturierte Kredite, die die Bank mit Privatkunden abschliesst. Diese machen zwischen 3 und 4 Prozent des Kreditportefeuilles oder rund 1,2 bis 1,7 Milliarden Franken aus. Die Bank präzisierte die Höhe des Portfolios am Montag auf 1,5 Milliarden Franken. Das Benko-Engagement macht also knapp die Hälfte dieser Spezialkredite aus.

CEO und Verwaltungsrat sitzen am Tisch

Bei strukturierten Krediten oder Structured Loans handelt es sich um Vereinbarungen, die wesentlich komplexer sind als ein Kredit auf ein Privatanwesen oder ein Aktienportfolio. Von strukturierten Finanzierungen spricht man zum Beispiel, wenn ein Kunde illiquide Aktien beleiht, die durch zukünftige Cashflows oder Dividendenzahlungen besichert sind - oder auch nicht.

Es handelt sich um ein Spezialgeschäft, das für eine Privatbank untypisch ist. Es erfordert viel Know-how über die Finessen und Fallstricke des Kreditgeschäfts. Bei der Bank Bär ist die Abteilung Structured Loans nicht im Privatkundengeschäft angesiedelt, sondern im Bereich von Finanzchefin Evangelia Kostakis.

Um die Spezialkredite kümmert sich Thomas Kammermann, Chief Credit Officer von Julius Bär und ehemaliger CS-Mann, der 2017 zur Privatbank wechselte. Bei einem so grossen Klumpenrisiko, wie es Julius Bär mit Benko eingegangen ist, sitzen aber zwingend der CEO und der Verwaltungsrat mit am Tisch.

Weiterhin erfolglose Verhandlungen

Die Benko-Gruppe muss dringend eine Finanzierungslücke über 600 Millionen Euro schliessen. Doch Verhandlungen mit neuen Investoren verliefen bisher ohne Erfolg. Gespräche gab es mit Mubadala Investment, Saudi-Arabiens Public Investment Fund, Attestor Capital und Elliott Investment Management.

Wie deutsche Medien am Sonntag berichteten, soll Milliardär und Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne derzeit die Übernahme des Hochhausprojekts Elbtower in Hamburg prüfen. Das mit Baukosten von 950 Millionen Euro geplante Hochhaus ist die derzeit grösste Baustelle von Signa. Am Freitag kam es zur Insolvenz der Benko-Tochterfirma Signa Real Estate Management Germany. In der Gesellschaft sind neben Premiumimmobilien auch Geschäfte wie die Entwicklung des Elbtowers gebündelt.


Update: An zwei Stellen wurde der Text durch am Montag gemachte Angaben von Julius Bär präzisiert. Wie die Bank bestätigte, beträgt das Exposure 606 Millionen Franken. Das Private-Debt-Kreditbuch beziffert die Bank mit 1,5 Milliarden Franken.

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