Millionen-Rückforderung
Die Bank Bär hat ihre Bonussysteme für die Geschäftsleitung mit einem Clawback-Mechanismus versehen. Nach dem Debakel müsste die Bank alle aufgeschobenen Vergütungen zurückziehen – aber tut sie das auch?
12. Februar 2024 • Beat Schmid

Dieses Jahr gibt es für den scheidenden CEO Philipp Rickenbacher und fünf Geschäftsleitungsmitglieder, die im Kreditausschuss der Bank sitzen, eine Nullrunde beim Bonus. Das hat der Verwaltungsrat der Bank beschlossen. Das oberste Führungsgremium selbst verzichtet auf den Aktienanteil seines Honorars.

Der Effekt dieser Massnahme: Ein paar Millionen bleiben in der Kasse der Bank. Ob sich die Aktionäre damit besänftigen lassen, die durch das Debakel mit dem österreichischen Immobilienfinancier René Benko rund 2 Milliarden Franken verloren haben?

Klar ist: Die Bank könnte mehr tun. Denn alle Bonussysteme, die Julius Bär für das Management ausgearbeitet hat, enthalten einen Clawback-Mechanismus. Dieser sieht vor, dass aufgeschobene Vergütungen, die einen «wesentlichen Teil der Vergütung» ausmachen, Malus- und Rückforderungsbestimmungen unterliegen (Clawback). Der Verwaltungsrat könnte also den Clawback anordnen und deutlich mehr Millionen einbehalten.

Die Entschädigung der Geschäftsleitung von Julius Bär setzt sich aus fünf Komponenten zusammen: einem Basissalär, Sozialbeiträgen und weiteren Leistungen sowie drei Bonusprogrammen. Diese heissen «Immediate Cash», «Deferred Bonus Plan» und «Equity Performance Plan». Laut Geschäftsbericht unterliegen diese drei Programme einem Clawback. Die Programme seien «fully at risk», also «voll im Risiko», steht im Bericht.

«Finanzieller Verlust oder Reputationsschaden»

Im Kleingedruckten zum «Deferred Bonus Plan» steht: «Die aufgeschobene Auszahlung fördert eine langfristige Orientierung und ermöglicht eine Rückforderung (Clawback) im Falle von Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften, finanziellen Verlusten und anderen Ereignissen, bei denen das Verhalten wesentlich zu einem finanziellen Verlust oder Reputationsschaden beigetragen hat».

Den ersten grossen Deal mit René Benko machte die Bank Ende 2019. Der Keim für das millionenschwere Debakel, das sich Ende 2023 manifestierte, war also bereits 2019 gelegt – vier Jahre zuvor. Es wäre daher folgerichtig, wenn die Bank die aufgeschobenen Vergütungen ab 2019 streichen würde. Ende 2019 war CEO Philipp Rickenbacher bereits im Amt. Er bezog jeweils eine variable Entschädigung von 4 Millionen. Das Grundgehalt belief sich auf 1,5 Millionen. Die weiteren GL-Mitglieder bezogen fürs Jahr 2022 6,39 Millionen fix und 26,5 Millionen Bonus.

Doch auch bereits ausgeschiedenen Führungsleute könnten vom Clawback-Mechanismus betroffen sein. Eine wichtige Figur in der Bank war damals der ehemalige Finanzchef Dieter Enkelmann, der Julius Bär im Sommer 2022 verliess. Auch von ihm dürfte es noch aufgeschobene Vergütungen geben, die noch nicht ausbezahlt wurden.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt den Clawback ziehen, wann dann? Ein Sprecher von Julius Bär will sich dazu nicht äussern und verweist auf den Vergütungsbericht, der Ende März veröffentlicht wird. Es stellt sich die Frage, ob die Bank verpflichtet ist, die Boni zurückzuziehen. Die Frage ist juristisch heikel. Der Entschädigungsbericht wird den Aktionären zur Abstimmung vorgelegt. Zieht die Bank die Clawbacks nicht ein, könnten die Aktionärinnen und Aktionäre eine Klage in Erwägung ziehen. Zumindest müsste die Bank sehr genau begründen, warum sie die Boni nur für ein Jahr streicht.

Theoretisch könnte auch die Finma einschreiten und die Bank dazu verdonnern, den Clawback zu ziehen. Die Frage, ob die Behörde schon einmal einen Clawback angeordnet hat, lässt sie offen. Ein Sprecher verweist auf ein Rundschreiben zu den Vergütungen. Dieses enthält keine Regelungen zu verpflichtenden Clawback-Klauseln in Vergütungsverträgen, obwohl dies nach der Finanzkrise diskutiert wurde. Julius Bär ist mit ihren Regeln also freiwillig über die gesetzliche Pflicht hinausgegangen.

Im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit überprüft die Finma systematisch die Vergütungssysteme der grossen Finanzinstitute, die das Rundschreiben zwingend umsetzen müssen. Dazu gehören die UBS, die Zürich und die Swiss Re. Entsprechend finden bei der UBS und früher bei der Credit Suisse regelmässige Reviews statt, um das Vergütungssystem als Ganzes und einzelne Schwerpunkte im Detail zu beurteilen.

Wie die Finma auf Anfrage mitteilt, könnten Fragen zum Vergütungssystem durchaus auch bei kleineren Instituten ein Thema sein. «Die Banken werden aber im Falle eines eingetretenen Schadens angehalten zu prüfen, ob in der jeweiligen Situation Vergütungsmassnahmen zu treffen sind», schreibt die Behörde in einem Statement. Die Kernaufgabe der Finma ist es, dafür zu schauen, dass die Banken die Regeln einhalten – nicht nur die gesetzlichen, sondern auch diejenigen, die sich eine Bank selbst gibt.

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