Geschäftsbericht
Trotz des Benko-Debakels können die Top-Manager ihre aufgeschobenen Boni aus den Vorjahren behalten. Nur einigen «ausgewählten aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern» droht ein Clawback.
18. März 2024 • Beat Schmid

Die Bank Julius Bär hat heute ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2023 veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass sie die Vergütungen für den CEO und fünf Mitglieder der Geschäftsleitung wie angekündigt gekürzt hat. Der abgesetzte Konzernchef Philipp Rickenbacher erhält für 2023 sein Basissalär von 1,5 Millionen Franken, das ihm ja schon ausgezahlt wurde. Sämtliche variablen Vergütungen für das vergangene Jahr wurden ihm gestrichen.

Zur Entschädigung von Rickenbacher steht im Bericht, der auch lobende Worte für die Arbeit des Ex-CEO findet: «Das NCC (Nomination and Compensation Committee, Red.) und der VR haben entschieden, dass der CEO angesichts der finanziellen Auswirkungen und des Reputationsschadens, der durch die Wertberichtigung auf Privatschulden im Jahr 2023 entstanden ist, keinen Anspruch auf einen Bonus für das Leistungsjahr 2023 hat».

Die Gesamtlohnsumme der Geschäftsleitung beläuft sich für 2023 auf 13 Millionen Franken. Im Vorjahr waren es 35,5 Millionen Franken. Das bestbezahlte Geschäftsleitungsmitglied war Nic Dreckmann, der im vergangenen Jahr 1,992 Millionen Franken bezog. Der CEO ad interim erhielt ein Basissalär von 750’000 Franken. Der Bonus belief sich auf 1 Million Franken. Der Barbonus und der aufgeschobene Barbonus wurden im gestrichen.

Der Geschäftsbericht macht keinen Angaben darüber, dass Rickenbacher und den fünf Geschäftsleitungsmitgliedern die aufgeschobenen Boni aus früheren Jahren (2019 - 2022) gestrichen werden. Es heisst lediglich, der Verlust im Zusammenhang mit Benko werde sich «über Jahre hinweg auf alle ExB-Mitglieder der Gruppe und unsere obersten Führungskräfte auswirken, da er bei der Performance aller per Ende 2023 ausstehenden EPP-Zuteilungen (d.h. jene, die für die Leistungsjahre 2020, 2021 und 2022 gewährt wurden und zwischen den Kalenderjahren 2024 und 2028 ausübbar werden) voll berücksichtigt wird».

Dies deutet darauf hin, dass die Bank höchstwahrscheinlich keinen Clawback für die Mitglieder der Geschäftsleitung vornehmen wird. Möglicherweise könnten aber Mitarbeitende tieferer Hierarchiestufen betroffen sein. So findet sich im Geschäftsbericht der interpretationsbedürftige Passus: «Aussetzung aller ausstehenden aufgeschobenen Vergütungen für ausgewählte aktuelle und ehemalige Mitarbeiter bis zur Durchführung weiterer Untersuchungen im Zusammenhang mit der Emission von Privatanleihen.» Auf Nachfrage will die Medienstelle von Julius Bär die Bedeutung des Absatzes «nicht weiter kommentieren».

Verwaltungsrat hätte mehr machen können

Der Verwaltungsrat von Julius Bär hätte bei den Kürzungen weiter gehen können. Denn alle Bonussysteme, die Julius Bär für das Management ausgearbeitet hat, enthalten einen Clawback-Mechanismus. Dieser sieht vor, dass aufgeschobene Vergütungen, die einen «wesentlichen Teil der Vergütung» ausmachen, Malus- und Rückforderungsbestimmungen unterliegen (Clawback). Der Verwaltungsrat könnte also den Clawback anordnen und deutlich mehr Millionen einbehalten.

Die Entschädigung der Geschäftsleitung von Julius Bär setzt sich aus fünf Komponenten zusammen: einem Basissalär, Sozialbeiträgen und weiteren Leistungen sowie drei Bonusprogrammen. Diese heissen «Immediate Cash», «Deferred Bonus Plan» und «Equity Performance Plan». Laut Geschäftsbericht unterliegen diese drei Programme einem Clawback. Die Programme seien «fully at risk», also «voll im Risiko», steht im Bericht.

«Finanzieller Verlust oder Reputationsschaden»

Im Kleingedruckten zum «Deferred Bonus Plan» steht: «Die aufgeschobene Auszahlung fördert eine langfristige Orientierung und ermöglicht eine Rückforderung (Clawback) im Falle von Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften, finanziellen Verlusten und anderen Ereignissen, bei denen das Verhalten wesentlich zu einem finanziellen Verlust oder Reputationsschaden beigetragen hat».

Den ersten grossen Deal mit René Benko machte die Bank Ende 2019. Der Keim für das millionenschwere Debakel, das sich Ende 2023 manifestierte, war also bereits 2019 gelegt – vier Jahre zuvor. Es wäre daher folgerichtig, wenn die Bank die aufgeschobenen Vergütungen ab 2019 streichen würde. Ende 2019 war CEO Philipp Rickenbacher bereits im Amt. Er bezog jeweils eine variable Entschädigung von 4 Millionen. Das Grundgehalt belief sich auf 1,5 Millionen. Die weiteren GL-Mitglieder bezogen fürs Jahr 2022 6,39 Millionen fix und 26,5 Millionen Bonus.

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