H.U. arbeitet erst seit kurzem bei der UBS. Er ist einer von vielen, die von der Credit Suisse in ein Team der UBS wechseln konnten. Bald geht er in die Ferien, zwei Wochen am Stück. Eigentlich ein Grund zur Freude. Sport, Erholung, abschalten. Doch ihn beschleicht ein mulmiges Gefühl.
Vor kurzem hat er erfahren, dass er während der Ferien keinen Zugriff auf die IT-Systeme der Bank haben wird. Komplett abgemeldet zu sein, keine geschäftlichen E-Mails zu erhalten, nicht mehr zu wissen, was in der Bank läuft, das hat für H.U. (Initialen geändert) auch etwas Beunruhigendes.
Misstraut ihm die Bank, will sie ihn loswerden? Für Mitarbeiter, die von der CS kommen, ist das eine verständliche Reaktion. Warum das die Bank macht, weis er nicht. Geht es um einen erzwungenen Digital Detox (Entgiftung)? Darunter versteht man laut Wikipedia den «teilweisen oder vollständigen Verzicht auf die Nutzung digitaler Medien für einen begrenzten Zeitraum».
Ziel ist es, sich der digitalen Vernetzung und der ständigen Erreichbarkeit zu entziehen. Digital Detox soll helfen, emotional stabiler zu werden und Stresshormone abzubauen.
UBS: «Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden ist uns sehr wichtig.»
Bei der UBS scheint es allerdings nicht um Digital Detox im engeren Sinne zu gehen. Die Bank kann nicht verhindern, dass der Mitarbeiter im Liegestuhl am Strand nonstop die Nachrichten verfolgt oder stundenlang Instagram-Reels anschaut.
Ein Sprecher der Bank schreibt auf Anfrage: «Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden ist uns sehr wichtig. Wir fordern Mitarbeitende und Führungskräfte regelmässig auf, Ferien kontinuierlich zu beziehen und sich während dieser Zeit auch zu erholen.»
Und noch etwas sagt er: «Wo es regulatorische oder gesetzliche Vorgaben gibt, dass der Zugriff auf Systeme während einer gewissen Zeit eingeschränkt/unterbrochen sein muss, halten wir uns an diese Vorgaben und stellen deren Einhaltung sicher.» Bei welchen Aktivitäten dies der Fall ist und wie viele Mitarbeiter das betrifft, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Sicher ist, dass H.U. keine risikoreichen Tätigkeiten ausübt, die eine solche Einschränkung rechtfertigen könnten.
Die meisten Firmen setzen auf Eigenverantwortung
In den meisten Unternehmen gibt es während des Urlaubs keine Sperre für das Firmennetzwerk. Sie setzen auf Eigenverantwortung und appellieren an die Mitarbeiter, die ständige Erreichbarkeit ausserhalb der Arbeitszeit zu reduzieren. Der Pharmakonzern Novartis beispielsweise ermutigt seine Mitarbeiter, ihre Freizeit ungestört zu geniessen und geschäftliche E-Mails ausserhalb der Arbeitszeit auf ein Minimum zu beschränken.
Auch die ehemalige Credit Suisse lancierte Initiativen zur Förderung der Work-Life-Balance. Dazu gehörte die Sensibilisierung von Mitarbeitenden und Führungskräften für die Bedeutung von Erholung und die Vermeidung von Überlastung durch ständige Erreichbarkeit.
Deutsche Unternehmen gehen zum Teil noch einen Schritt weiter. Der Sportartikelhersteller Puma hat eine Regelung eingeführt, nach der Beschäftigte im Urlaub keine geschäftlichen E-Mails lesen oder beantworten dürfen. Und der Automobilhersteller Daimler hat eine Funktion eingeführt, die es den Mitarbeitern ermöglicht, eingehende E-Mails während des Urlaubs automatisch zu löschen.