Deutschland hat wirtschaftlich schon bessere Zeiten erlebt. Die Wutrede des Chefs der Deutschen Börse über die deutsche Wirtschaftspolitik ist Ausdruck einer tief sitzenden deutschen Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg.
Trotzdem oder gerade deshalb scheint der deutsche Markt für Schweizer Banken attraktiv zu sein. Medienberichten zufolge sind mit UBS und Julius Bär gleich zwei Schweizer Institute an der Übernahme des Private-Banking-Geschäfts der HSBC in Deutschland interessiert.
Die Preisvorstellungen reichen von 300 bis 600 Millionen Euro für die Einheit, die rund 26 Milliarden Euro Kundenvermögen verwaltet. HSBC sei an einem Käufer mit einer globalen Marke und bestehenden Private-Banking-Aktivitäten in Deutschland interessiert, schreibt Bloomberg. Auch der französische Kreditgeber BNP Paribas habe Kaufinteresse signalisiert. KPMG soll HSBC bei dem Verkauf unterstützen.
Das Interesse ist wieder da
Dass sich mit UBS und Julius Bär gleich zwei Banken für einen Kauf interessieren, überrascht nicht. Deutschland scheint nach Jahren des Desinteresses plötzlich wieder attraktiv. Im Jahr 2022 wagte die LGT, die der Fürstenfamilie von Liechtenstein gehört, in Hamburg einen Neuanfang. Mehr als zehn Jahre nach dem Verkauf des Privatkundengeschäfts an die Bethmann-Bank ging sie ausgerechnet mit der Übernahme eines Teams dieser Bank wieder an den Start. Inzwischen sind vier weitere Standorte hinzugekommen.
In Deutschland ist die LLB seit Januar an drei Standorten vertreten. In München, Frankfurt und Düsseldorf hat sie ein 40-köpfiges Team aufgebaut. Auch Lombard Odier soll seit längerem den Einstieg in den deutschen Markt prüfen.
Unternehmer verkaufen ihre Firmen
Das Interesse am deutschen Vermögensverwaltungsmarkt überrascht, da das Land aufgrund der wirtschaftlichen Situation zuletzt in den globalen Vermögensrankings zurückgefallen ist. Dennoch bleibt Deutschland der wichtigste Markt in Europa. Hinzu kommt, dass offenbar viele Unternehmer mit dem Gedanken spielen, ihr Unternehmen zu verkaufen. Und das wiederum hat sehr viel mit der Wirtschaftspolitik der Ampelregierung zu tun.
Florian Dürselen, Leiter Private Banking bei der LGT, sagte gegenüber dem Handelsblatt, dass durch diese Unternehmensverkäufe neues Geld in den deutschen Private-Banking-Markt fliesse. Fälle wie der der Unternehmerfamilie Viessmann, die ihren Traditionskonzern an einen US-Konkurrenten verkaufte, würden sich häufen, glaubte Dürselen.
Gleichzeitig erwäge HSBC auch den Verkauf ihres deutschen Fondsverwaltungsgeschäfts Inka. Unterstützt wird die Bank dabei von der Bank of America. Das Geschäft gilt mit einem verwalteten Vermögen von rund 400 Milliarden Euro als eines der grössten der Branche. Inca soll zusammen mit dem Depotgeschäft der Bank verkauft werden, das mehrere hundert Millionen Euro einbringen könnte. State Street und Universal Investment gehören zu den potenziellen Bietern, die die Vermögenswerte geprüft haben, heisst es.
HSBC will sich nicht komplett aus Deutschland zurückziehen. Am Firmenkundengeschäft und am Handel will die in London börsennotierte Bank festhalten. Insgesamt strebt sie eine Straffung ihrer globalen Präsenz an. In den USA hat sich HSBC bereits aus Teilmärkten zurückgezogen. In Frankreich stieg die Bank aus dem Retail-Geschäft aus.