«Kein Mandat für Wettbewerbsfähigkeit»
Mit seinen «finanzplatzfeindlichen» Äusserungen bringt der Finma-Chef Schweizer Bankenvertreter gegen sich auf. Übertreibt Walter?
11. Februar 2025 • Beat Schmid

«Was Stefan Walter sagt, ist unglaublich. Dafür müsste man ihn eigentlich fristlos entlassen», sagt ein wütender Banker einer Grossbank. Grund für den Ärger sind die «finanzplatzfeindlichen» Aussagen des Finma-Direktors von letzter Woche.

Bei seinem Auftritt vor dem Club Zürcher Wirtschaftsjournalisten sprach Stefan Walter über seine Arbeit als oberster Bankenaufseher der Schweiz. Um die nötige Wirkung zu erzielen, brauche es «erstens eine Aufsicht, die im Rahmen ihres Mandats und mit den vom Gesetzgeber zugesprochenen Kompetenzen unabhängig und ohne übermässigen Druck von Seiten der Politik oder der Beaufsichtigten handeln kann», sagte er. (Tippinpoint berichtete.)

Die Finma müsse so unabhängig agieren können wie etwa die Nationalbank, sagte Walter. Nach der Inflation der 1970er Jahre habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass unabhängige Zentralbanken besser in der Lage seien, Preisstabilität zu gewährleisten, die wiederum die Grundlage für nachhaltiges Wachstum sei. Gleiches gelte für die Unabhängigkeit der Finanzmarktaufsicht.

Es sei auch wichtig zu betonen, so Walter weiter, dass sich das Mandat einer «wirksamen und unabhängigen Aufsicht» auf den «Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger» konzentriere – ähnlich wie sich die Notenbank, um wirksam zu sein, auf die Preisstabilität konzentriere.

«Kein direktes Mandat für Wettbewerbsfähigkeit»

Seine Aufgabe sieht Walter nicht darin, sich für die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes einzusetzen. Im Gegenteil: «Die Aufsicht sollte kein direktes Mandat für Wettbewerbsfähigkeit haben, sondern sich auf Gläubigerschutz und die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte fokussieren. Ein direktes Mandat für Wettbewerbsfähigkeit öffnet Tür und Tor für Zielkonflikte, politische Interventionen oder exzessives Lobbying der Beaufsichtigten», sagte der Finma-Direktor. Wenn die Aufsicht ihre Aufgabe, für langfristige Stabilität und Reputation des Banken- und Finanzsektors zu sorgen, effektiv wahrnehme, sorge das auch für eine «nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes».

Gibt der geltende Rechtsrahmen Walter Recht? Dazu muss man das Finanzmarktaufsichtsgesetz (Finmag) konsultieren. Gemäss Artikel 4 sind die Ziele der Finanzmarktaufsicht «der Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten sowie der Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte». Die Finma «trägt damit zur Stärkung des Ansehens, der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei».

Und in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b des Finmag heisst es: «Die Finma reguliert nur, soweit dies im Hinblick auf die Aufsichtsziele notwendig ist, und wenn immer möglich prinzipienbasiert. Dabei berücksichtigt sie das übergeordnete Bundesrecht sowie insbesondere: wie sich die Regulierung auf den Wettbewerb, die Innovationsfähigkeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz auswirkt.»

«Vollständig im Einklang mit dem gesetzlichen Rahmen»

Finma-Chef Walter hat bei seiner Tätigkeit also durchaus die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes im Auge zu behalten. So will es der Gesetzgeber. Und genau hier setzt die harsche Kritik der UBS an. Konzernchef Sergio Ermotti hat sich wiederholt und vehement gegen schärfere Eigenmittelvorschriften ausgesprochen. Die Vorschläge des Bundesrates, deutlich mehr Eigenkapital zu halten, seien «übertrieben» und würden der «Wettbewerbsfähigkeit» massiv schaden, sagte er. Sie hätten auch negative Folgen für das Image des Finanzplatzes.

Kern des Streits ist die Frage, wie viel mehr Eigenkapital die UBS halten muss. Für den Finma-Chef ist klar, dass die UBS künftig 100 Prozent Eigenkapital (statt 60 Prozent) für ihre ausländischen Tochtergesellschaften im Stammhaus halten muss. Schätzungen gehen davon aus, dass die UBS zwischen 15 und 25 Milliarden Franken zusätzliches Eigenkapital aufbringen müsste. Durchsetzen kann Walter diese Massnahme nicht. Hier hat die Politik das Sagen.

Geht Stefan Walter mit seinen Aussagen zu weit? Die Behörde sieht das nicht so und schreibt in einer schriftlichen Stellungnahme: «Die Aussagen von Herrn Walter zum Fokus der Aufsicht stehen vollständig im Einklang mit dem gesetzlichen Rahmen der Finma. Die Finma betont seit langem, dass ihre Kernaufgabe gemäss Finmag darin besteht, die Finanzmarktkundinnen und -kunden (Anlegerinnen und Anleger, Gläubigerinnen und Gläubiger sowie Versicherte) sowie die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu schützen. Dies schafft Vertrauen und trägt als Reflexwirkung zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei.»

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