Wie befürchtet, kratzt der Untersuchungsbericht zum Debakel bei der Online-Bank Radicant nur an der Oberfläche. In einem siebenseitigen Management Summary, das der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, wird die zentrale Frage, warum die Basellandschaftliche Kantonalbank 105 Millionen Franken auf ihre Online-Tochter Radicant abschreiben musste, nicht beantwortet.
Der interessanteste Aspekt betrifft die mangelhafte Due Diligence beim Kauf von Numarics, einer Treuhandfirma, die in Radicant hineinfusioniert wurde. Der Untersuchungsbericht vom Beratungsunternehmen GWP deutet an, dass bei der Transaktion nicht sorgfältig gearbeitet wurde.
So stellen die Gutachter fest, dass die Financial Due Diligence «teilweise Schwachstellen» aufwies. «So wurden im Anschluss an die Genehmigung der Transaktion Arcom (Codename für die Numarics-Übernahme), jedoch noch vor Closing, beim Zielunternehmen neue Sachverhalte sichtbar», schreiben die Gutachter von GWP. Die Liste dieser Sachverhalte ist ziemlich lang: Sie beinhaltet «unter anderem nicht ausgebuchte Debitorenpositionen (Carve-out Legacy), nicht bediente oder nicht berücksichtigte Verbindlichkeiten, das Fehlen erforderlicher Abschreibungen, einen laufenden, kostenintensiven Vertrag mit einem Drittdienstleister sowie zusätzliche Kostenfolgen durch schwebende Rechtsstreitigkeiten.»
Die BLKB kaufte die Katze im Sack
Laut Bericht tangieren derartige Positionen «zentrale Aspekte der finanziellen Transparenz und hätten (...) im Zuge einer sorgfältig durchgeführten Prüfung von beispielsweise testierten Zwischenabschlüssen erwartet werden dürfen». «Dass diese Sachverhalte erst im Nachgang, kurz vor Closing, zur Sprache kamen, deutet darauf hin, dass die Financial Due Diligence in Teilen nicht die gebotene Tiefe oder Reichweite hatte.»
Trotzdem machten die Beteiligten weiter und gaben grünes Licht für die Transaktion. Das ist umso unverständlicher, als die BLKB gar nicht genau abklärte, was ihr Numcaris aus Geschäftsoptik bringen würde. Die Gutachter formulieren es im Bericht so: Im Rahmen einer sogenannten Commercial Due Diligence habe sich gezeigt, dass «zentrale Bewertungsannahmen – insbesondere hinsichtlich der Kundenmigration bzw. -Akquise im physischen Treuhandgeschäft – nicht ausreichend hinterfragt oder durch vertiefende Analysen abgesichert wurden. In der Folge fehlte eine belastbare Grundlage, um die Tragfähigkeit des Business Case in allen wesentlichen Punkten zu validieren.»
Man kann es in einem Satz sagen: Die BLKB kaufte die Katze im Sack.
Kommt hinzu, dass die Mängel bald intern klar wurden, aber offenbar viel zu lange weggeschaut wurde. Laut Bericht lagen bereits Ende 2024 erste Hinweise auf eine «negative Entwicklung des Business Cases» vor, die sich in den darauffolgenden Wochen «zunehmend verdichteten». Erkennbar seien eine angespannte Liquiditätssituation, eine zu geringe Kundenbasis, ausbleibende Erträge sowie das Risiko erheblicher Abschreibungen gewesen. Aus Sicht der Gutachter hätte die Bank viel schneller reagieren und eine Ad-hoc-Meldung publizieren sollen, welche die Probleme thematisierte. Möglicherweise wird dieser Punkt weitere Konsequenzen für die Bank nach sich ziehen.
In den veröffentlichten Auszügen finden sich keine näheren Angaben zur Konstruktion des Deals und zur Höhe der Bewertung von Numarics – die letztlich die Basis für den enormen Abschreiber bildeten. Kein Ruhmesblatt sind die Befunde auch für die UBS, die über ihr Venture-Programm UBS Next nur ein Jahr zuvor bei Numarics einstiegen war und als Aktionärin mit am Tisch sass.