Die Schweizerische Nationalbank (SNB) machte es spannend. Am Donnerstag liess sie sich bis 9:30 Uhr Zeit, um erstmals eine Zusammenfassung der Protokolle ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung zu veröffentlichen. Damit platzte die SNB mit einer vermeintlich wichtigen Mitteilung mitten in die offenen Märkte.
Die neue Führung unter SNB-Direktoriumspräsident Martin Schlegel hat zwar versprochen, in ihrer Kommunikation transparenter und offener zu werden – am Stilmittel des Überraschungseffekts will sie jedoch ganz offensichtlich festhalten.
Im Vorfeld der Publikation einer Zusammenfassung von Zinssitzungen wurde viel Gewerweisst, wie weit die Notenbank gehen würde. Die Protokolle umfassen die zwei Tage der geldpolitischen Lagebeurteilung und legen «unsere Einschätzung der Wirtschafts- und Währungslage» dar, sagte Martin Schlegel. Jetzt ist klar, was sich daraus herauslesen lässt.
Um es kurz und bündig zu sagen: Nicht viel. Das Warten hat sich nicht gelohnt. In der 15'000 Zeichen langen Zusammenfassung findet sich kaum ein Satz, den man als spannend bezeichnen müsste. Es findet sich nichts darin, was ohnehin nicht schon bekannt wäre. Divergierende Meinungen zwischen den drei Direktoriumsmitgliedern sind auch im Ansatz nicht erkennbar.
Der Text ist gegliedert in die Kapitel Finanzmärkte, Monetäre Indikatoren, Internationale Rahmenbedingungen, Wirtschaftslage Schweiz, Wirtschaftsausblick Schweiz und Geldpolitischer Entscheid. Der transparenzhalber publizieren wir hier das letzte und wichtigste Kapital vollständig:
Geldpolitischer Entscheid
Zu Beginn des zweiten Tages der Lagebeurteilung rekapitulierte das Direktorium die am Vortag dargelegte Ausgangssituation, die Konjunkturlage und die Szenarien für die internationale und die Schweizer Wirtschaft sowie die Inflationsprognose. Danach fasste der Bereich Geldmarkt und Devisenhandel nochmals die Lage an den Finanzmärkten zusammen, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Geldpolitik am Geld- und Devisenmarkt. Das Direktorium kam zum Schluss, dass die gegenwärtige Umsetzung der Geldpolitik in unterschiedlichen Szenarien zielführend ist und somit beibehalten werden soll.
Anschliessend fasste der Bereich Volkswirtschaft die Ausgangslage für den geldpolitischen Entscheid zusammen. Demnach liegt die bedingte Inflationsprognose über den gesamten Prognosezeitraum innerhalb des Bereichs der Preisstabilität und steigt bis zum Prognosehorizont leicht an. Im dritten Quartal hat die Inflation etwas nach oben überrascht und dürfte in den nächsten Quartalen leicht oberhalb der Prognose vom Juni 2025 liegen. Mittelfristig ist die bedingte Inflationsprognose gegenüber Juni 2025 unverändert. Die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen sind weiterhin gut im Bereich der Preisstabilität verankert. Die BIP-Prognose für 2026 wurde etwas gesenkt. Die Erhöhung der US-Zölle wirkt sich nur auf einen Teil der Wirtschaft direkt aus. Es gibt derzeit kaum Anzeichen, dass die negativen Effekte der Zölle von betroffenen exportorientierten Branchen auf andere Teile der Wirtschaft übergreifen. Gegenwärtig ist die konjunkturelle Situation insgesamt trotz der Zölle nicht besorgniserregend. Die meisten Konjunkturindikatoren zeigen weiterhin ein moderates Wachstum an. Die Unsicherheit bleibt aber hoch. Das Direktorium folgerte aus der präsentierten Faktenlage, dass die Geldpolitik gegenwärtig expansiv wirkt. Zudem wird sich die volle Wirkung der Lockerung der Geldpolitik der vergangenen Quartale erst mit einer Verzögerung entfalten. Angesichts des schwachen Inflationsdrucks und der leicht eingetrübten Wirtschaftsaussichten trägt die expansive Geldpolitik dazu bei, dass die Inflation gemäss der bedingten Inflationsprognose in den nächsten Quartalen ansteigen wird, und unterstützt das Wirtschaftswachstum. Das Direktorium befand, dass vor diesem Hintergrund eine zusätzliche Lockerung der Geldpolitik nicht angebracht ist. Die Inflationsprognose, und die Wirtschaftsaussichten sprechen dafür, die Geldpolitik nicht zu ändern. Das Direktorium entschied deshalb, den SNB-Leitzins unverändert bei 0% zu belassen. Sichtguthaben der Banken bei der SNB sollen bis zu einer bestimmten Limite zum SNB-Leitzins verzinst werden und der Zinsabschlag auf Sichtguthaben oberhalb dieser Limite soll weiterhin 0,25 Prozentpunkte betragen. Zudem bestätigte das Direktorium seine Bereitschaft, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein. Das Direktorium will die Lage weiter genau beobachten und die Geldpolitik wenn nötig anpassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität bleibt.Mit der «Zusammenfassung der Diskussion» gewinnt die SNB keinen Transparenzpreis. Sie ist höchstens ein weiterer kleiner Schritt der Notenbank hin zu einer offeneren Kommunikation. Im Kern aber bleibt sie bei ihrer zurückhaltenden Kommunikation treu.
Unter den weltweit am meisten gehandelten Währungsräumen der sogenannten G10 ist der Kalender der SNB mit vier geldpolitischen Entscheidungen pro Jahr bei weitem der geringste. Die anderen Zentralbanken im Zehnerclub haben in der Regel etwa doppelt so viele.
Mit der Veröffentlichung der Protokolle nähert sich die SNB dem internationale Mainstream an. Die relativ lange Spanne zwischen den einzelnen Sitzungen hat zum Teil zu umso überraschender Aktionen zwischendurch geführt, wie etwa die Einführung und die Aufhebung des Euromindestkurses, welche die Märkte überrascht und verwirrt haben. Eine gewisse Unberechenbarkeit wird wohl weiterhin zum Arsenal der Frankenhüter zählen.