Goldbarren-Diplomatie
Historiker erklären, das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik sei eine Konstante in Verhandlungen der Schweiz. Dennoch gibt es beim «Zoll-Deal» zwischen der Schweiz und den USA mehrere Besonderheiten.
23. November 2025 • Balz Bruppacher

Es beginnt bei der Semantik. «Absichtserklärung: USA senken Zölle auf 15%» meldete der Bundesrat am 14. November. Es sollte vermittelt werden, dass die Zölle fallen. Eine gute Nachricht also. Das stimmt, wenn man mit dem Stand vom 7. August vergleicht, als der US-Basiszoll von 39 Prozent in Kraft getreten war. Und wenn die Absichtserklärung umgesetzt wird. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Vergleichsperiode auf Ende 2024 erstreckt wird. Dann steigen die Zölle der USA markant. Korrekterweise müsste es also heissen, die US-Zölle steigen weniger stark. Oder die Erhöhung der US-Zölle wird reduziert.

Anders als bei früheren Verhandlungen ist transparent, wie sich die Wirtschaftsvertreter in Szene setzten. Nicht in einer gemischten Delegation unter Leitung eines Bundesrats, sondern allein und ohne Scheu vor Öffentlichkeit. Mit einem gewissen Stolz wurde das Foto vom 4. November vom Empfang der vorwiegend in Genf domizilierten Milliardäre im Oval Office veröffentlicht. Und kein Geheimnis aus den Geschenken gemacht, die dem US-Präsidenten daselbst überreicht wurden. Geschenke, die möglicherweise strafrechtlich relevant sind.

Strafanzeigen wegen Bestechungsverdachts?

Die internationale Korruption gehört in den Zuständigkeitsbereich der Bundesanwaltschaft (BA). Verfahren werden häufig gestützt auf Informationen aus eingehenden ausländischen Rechtshilfeersuchen, der Bundesanwaltschaft übermittelte Meldungen der Meldestelle für Geldwäscherei oder aufgrund von Strafanzeigen eröffnet, heisst es auf der Webseite der BA. Im vorliegenden Fall käme wohl vor allem Letzteres in Frage. «Die Bundesanwaltschaft (BA) ist mit der Sie interessierenden Thematik zurzeit nicht befasst», antwortet die Behörde auf die Frage, ob im Zusammenhang mit den Geschenken an den US-Präsidenten Strafanzeigen eingegangen seien. Heisst das, die BA hat keine Strafanzeigen in dieser Angelegenheit erhalten? Oder befasst sie sich zurzeit nicht mit eingegangenen Strafanzeigen in dieser Sache? Antwort des BA-Sprechers: «Darüber hinaus kann ich Ihnen keine weiteren Angaben machen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.»

Auffallend ist ausserdem die Medienpräsenz des ehemaligen Schweizer Botschafters Thomas Borer. Der Unternehmensberater äussert sich in Medien im In- und Ausland zu den Verhandlungen der Schweiz, erteilt Ratschläge über den Umgang mit den USA und hat scheinbar einen guten Kontakt zum federführenden Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). In der Sendung «Club» des Schweizer Fernsehens SRF sagte Borer am 18. November, er sei teilweise in die Verhandlungen mit den USA involviert gewesen.

«Meine in der TV-Sendung erwähnten Beiträge bezogen sich auf punktuelle, informelle, fachliche Gespräche zu strategischen und kommunikativen Fragestellungen», präzisiert Borer auf Anfrage und fügt hinzu: «Diese Tätigkeiten erfolgten nicht im Rahmen eines staatlichen oder privaten formellen Auftrags und waren nicht honoriert.» In ähnlicher Weise habe er sich in den letzten 20 Jahren bereits in anderen Fällen Hilfe «pro bono» geleistet, wenn Vertreter der Eidgenossenschaft darum gebeten hätten und zum Beispiel auf sein persönliches Netzwerk zu Regierungschefs zurückgreifen wollten. «Im starken Gegensatz zu anderen Agenturen, die von ‘Bern’ hohe Beträge beziehen, habe ich mich nie um ein bezahltes Mandat der Schweiz bemüht oder an Ausschreibungen einzelner Departemente teilgenommen», erklärt Borer.

Der ehemalige Botschafter der Schweiz in Berlin war 2002 im Unfrieden mit der Zentrale in Bern auf eigenen Wunsch aus dem diplomatischen Dienst ausgeschieden. Aktuell wird vor allem an seine Rolle als Leiter der Task Force «Schweiz – Zweiter Weltkrieg» bei der Bewältigung der Krise um die Holocaust-Gelder auf Schweizer Banken in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre erinnert. Dabei heisst es verkürzt oft – so auch in der Moderation der erwähnten TV-Sendung – Borer habe 1998 den Deal zwischen den Schweizer Grossbanken und den USA über die nachrichtenlosen Vermögen ausgehandelt. Allerdings stemmte sich Borer zuletzt gegen den im August 1998 besiegelten Vergleich, bei dem die Banken 1,25 Milliarden Dollar zu Gunsten der jüdischen Kläger zahlten.

Vertritt AT-1-Gläubiger im Kampf gegen die Finma

Auf diesen Widerspruch angesprochen, sagte Borer, er sei massgeblich und im Detail in die Verhandlungen mit den jüdischen Organisationen und dem US-Staatssekretär Eizenstat involviert gewesen. Es sei auch belegt, dass er den Vergleich der Banken ausdrücklich begrüsst habe. Jedoch habe er den Banken mit guten Gründen empfohlen, den Vergleich nicht überstürzt abzuschliessen. «Die Zeit arbeitete damals eindeutig für uns», erklärt Borer, und weiter: «Ferner war offensichtlich, dass der von den Banken bezahlte Preis sehr hoch war.»

Seit seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst war Borer zeitweise für den russischen Oligarchen Viktor Vekselberg und den georgischen Milliardär Bidsina Iwanischwili in dessen Kampf gegen die Credit Suisse tätig gewesen. Beide Mandate wurden beendet. Aktuell vertritt seine Firma Dr. Borer & Partner im Auftrag von Anwaltsfirmen die Interessen der AT-1-Obligationäre, deren Forderungen beim Untergang der Credit Suisse abgeschrieben wurden und die kürzlich vor Bundesverwaltungsgericht Recht erhielten. Hier kämpft Borer also gegen die Finma und die UBS und indirekt gegen die Eidgenossenschaft.

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