Herr Demuth, Bitpanda korreliert in der Entwicklung stark mit dem Verlauf des Krypto-Sektors – und dieser mit dem Bitcoin. Arbeiten Sie daran, diese Abhängigkeit zu reduzieren?
Das gehört zum Geschäft dazu. Wir müssen deshalb anders budgetieren als andere Unternehmen. In guten Jahren muss man Rücklagen bilden, weil wir wissen, wir sind in einem zyklischen Geschäft unterwegs. So können auch mal zwei schlechtere Jahre ausgehalten werden. Man darf nicht immer reaktiv sein und der Sache hinterherlaufen.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Die Bitcoin-ETF bluten
• Ein Stablecoin zieht in das One World Trade Center in New York
Dank unserer Strategie war 2022 das einzige Jahr, in dem wir einen Verlust ausgewiesen haben. Wir diversifizieren weiter und erweitern unsere Produktpalette. Unser wichtigster Antrieb dabei ist aber nicht, stabiler zu werden. Wir wollen mehrere Standbeine aufbauen und unser B2B-Infrastrukturgeschäft skalieren.
Wird dieses weniger zyklische B2B-Angebot, selbst entwickelte Technologie und Infrastruktur an Dritte zu verkaufen, dereinst das Hauptgeschäft und das Privatkundengeschäft obsolet machen?
Es ist kein Entweder-Oder. Ich habe die Vision, es so wie Amazon mit AWS zu machen. Das Unternehmen hat ein florierendes Retailgeschäft und mit Amazon Web Services ein ebensolches Infrastrukturgeschäft. Die beiden Geschäftsfelder laufen parallel – ohne dass das eine das andere beeinflusst. Ich habe keine Lieblingskunden, im Moment ist es einfach so, dass ich vielleicht mehr im B2B-Geschäft engagiert bin, weil Bankvorstände einem doch persönlich kennenlernen wollen.
Sind ihre B2B-Kunden eher neue Banken wie etwa N26?
Nein, im Gegenteil. Ganz am Anfang war das so. Aber jetzt mit MiCAR und der Regulierungssicherheit in der EU sind es die ganz klassischen Banken mit vermögenden Kunden und Firmengeschäft, die Krypto als Asset-Klasse dabei haben wollen. Wir offerieren dafür auch Custody und haben mit Tokenisierungen von Vermögenswerten begonnen. Die Tokenisierung ist noch nicht das grosse Geschäft, aber die Zukunft. Dann gibt es einfach Banken, die White-Label wollen, die sich sagen, wir können in vernünftiger Zeit kein konkurrenzfähiges Produkt bauen, also kaufen wir es ein. Früher mussten wir auf die Banken zugehen, mittlerweile merken diese, okay, das geht nicht mehr weg und wird immer grösser, wir brauchen auch ein Angebot. Wegen den unterschiedlichsten Kunden bauen wir unser Angebot auch modular auf.
Haben Sie auch Bankkunden aus der Schweiz?
Nein, noch nicht.
Sie haben Firmenkunden angesprochen, bedienen Sie auch direkt institutionelle Anleger?
Ja, das nennen wir ganz kreativ Bitpanda Business oder Bitpanda Wealth. Das kann von einer kleinen GmbH, die das als Anlageklasse will, bis zu Grossunternehmen gehen, die das auf der Bilanz führen. Mit Bitpanda Wealth bedienen wir High-Net-Worth-Individuals, Family Offices oder Asset Manager.
Was ist denn Bitpanda heute – ein Kryptobroker oder eine Multi-Asset-Investment-Plattform, sie bieten ja mittlerweile über 2800 Anlageprodukte an?
Wir haben im Krypto-Bereich in Europa die grösste Verbreitung und die meisten Lizenzen. Bieten aber auch die anderen Asset-Klassen an, wie Aktien, ETF, und Rohstoffe, aber immer mit einem starken Fokus auf digitale Assets oder Krypto-Anlagen. Das ist unser Steckenpferd, da sind wir besonders gut. Wir wollen uns kontinuierlich weiterentwickeln, dazu betreiben wir auch Forschung und Entwicklung. Wir wollen zusätzlich Ressourcen für die anderen Anlageklassen aufbauen, aber nicht vom einen etwas für das andere abziehen.
Wie schaffen Sie es, provisionsfrei Aktien zu handeln?
Mit Bitpanda Stocks sind wir sind sehr günstig. Mittels Derivat kann man bei uns auch Aktien-Frakturen kaufen, also etwa für fünf Euro Apple-Aktien.
Aber werden Sie so nicht austauschbar? In der Schweiz haben mittelgrosse Finanzdienstleister begonnen, ihr Geschäft in den Kryptobereich auszudehnen.
Wir haben in Europa nicht sehr viel Konkurrenz, weil die meisten nur ein Light-Produkt haben. Darum ist unser White-Label-Produkt so erfolgreich. Wenn Banken jetzt beginnen, ein Krypto-Angebot aufzubauen, kriegen sie ein Produkt hin, das 2019 konkurrenzfähig war. Da sind 20 bis 30 Coins im Angebot, das Staking fehlt noch. Dann passiert immer das Gleiche. Der Kunde probiert es aus, findet es spannend, liest sich ein und will mehr – den und den Coin und auch Staken. Der Kunde wandert dann zu einem Krypto-Anbieter ab. Darum kommen die Banken jetzt zu uns, um ein umfassendes Produkt auf dem absoluten Stand der Technologie anbieten zu können. Wir offerieren beispielsweise über 460 Coins, mehr als alle anderen grossen Plattformen, und das grösste Staking-Angebot in Europa.
In der Schweiz gibt es einige ziemlich grosse Krypto-Anbieter und das Land sieht sich gerne als Vorreiter. Sehen Sie das auch so?
Das war mal so, ganz am Anfang, als sich niemand regulatorisch getraut hat. Aber man hat verpasst, die Vorreiterrolle zu festigen. Sicher ist die Schweiz noch vorne mit dabei, gemäss neusten Zahlen halten 28 Prozent der Bevölkerung Kryptos. Das ist eine enorm hohe Zahl. Es gibt aber kaum international etablierte Krypto-Firma aus der Schweiz.
Und Bitpanda möchte in der Schweiz stärker werden?
Wir möchten in ganz Europa stärker werden, da ist es naheliegend, dass wir auch in der Schweiz expandieren. Wir gehen aber so vor, dass wir dort ausbauen, wo wir gut sind und dann weiter expandieren.
Wie aufwändig ist es aus regulatorischer Sicht, einen neuen Markt zu erschliessen?
Sehr, deswegen haben wir die meisten Lizenzen in Europa. Ich werde immer wieder gefragt, was macht ihr, wenn die ganzen Amerikaner und Asiaten nach Europa kommen. Die werden nicht kommen. Die würden in 27 einzelne Länder kommen, mit eigenen Gesetzen und Sprachen, wo die Regulatoren nicht miteinander sprechen. Das ist ein Riesenaufwand. Wir haben schon lange angefangen und sind schon ziemlich weit gekommen. Ich scherze manchmal und sage, wir sind keine Tech-Firma, sondern gefühlt eine Compliance-Firma. Wir müssen jedes Land individuell betrachten und uns gut aufstellen, das ist unser USP. Das macht man nicht im Vorbeigehen. Einige asiatische Anbieter wollten Europa mit einem Einheitsangebot erschliessen, die bekommen jetzt aber auf die Finger.
Wird das mit MiCAR besser?
Ab 2025 geht es los mit der MiCAR-Regulierung. Wenn man in einem Mitgliedsstaat zugelassen ist, kann man die ganze EU bearbeiten. Aber auch unabhängig von der Regulierung bleiben 27 Staaten unterschiedliche Märkte. Europaweite Kampagnen funktionieren nicht. Was in Spanien funktioniert, geht ganz sicher in Frankreich nicht. Es braucht nationale Strategien, Bankpartner usw.
Wenn ich den durchschnittlichen Krypto-Investoren anschaue, dann kauft er Krypto zum Spekulieren oder zum Sparen. Sonst weiss er nicht viel anzufangen mit den Coins. Das ist nicht unbedingt der Zweck vieler Krypto-Währungen…
Das ist richtig. Aber jeder nutzt Kryptos unterschiedlich. Für mich ist der Bitcoin auch kein Zahlungsmittel, sondern eher digitales Gold, eine Weiterentwicklung. Wir haben beispielsweise unsere Visa-Karte. Die kann man mit über 2000 unserer Assets verlinken und diese jederzeit auswechseln. Da kann ich also nachts um zwei irgendwo ein Bier mit einer Tesla-Aktie oder Krypto bezahlen. Damit will ich sagen, ich benutze doch viel lieber eine etablierte, verbreitete Infrastruktur. Der Käufer bezahlt mit der Währung, mit der er will, und der Händler kann auswählen, welche Währung er will. Auf diese Art erhält man viel schneller eine Massenanwendung.
Welches ist denn Ihr rentabelstes Produkt oder Produktgruppe?
Natürlich kann sich das B2B-Geschäft, das sich im Aufbau befindet, noch nicht mit dem Krypto-Retailgeschäft messen, das ist noch unser Hauptgeschäft. Das wird sich in Zukunft etwas verschieben, aber nicht, weil das B2C-Geschäft abnimmt, sondern andere Bereiche rascher zulegen.
Werden sie arg durchgeschüttelt, wenn wieder ein Fall wie die FTX-Pleite stattfinden würde?
FTX war das Beste, was uns passieren konnte, weil wir seit 2016 eng mit Banken und Regulatoren zusammenarbeiten. Eine Woche nach dem Zusammenbruch von FTX haben wir die Zulassung in Deutschland erhalten. Den Leuten ist aufgegangen, dass es ein Gegenparteienrisiko gibt. Ich mache dazu dieses Beispiel: Wenn Sie Ihr Gehalt erhalten, schicken Sie das an eine Bank in Thailand, oder an die regional verankerte Bank im Quartier? Warum sollen sich die Leute beim Anlegen anders verhalten und sich nicht darum kümmern, wo ihre Vermögenswerte gelagert werden.
AC Milan, Bayern München, Dominic Thiem, Stan Wawrinka – sie setzen im Marketing auf Sportsponsoring. Ist das der Redbull-Weg und man sieht bald auf allen Sportveranstaltungen das Bitpanda-Logo?
Natürlich beschränken wir uns auf Europa. Zudem war ich früher kein Fan davon, wenn Firmen aus unserer Branche das gemacht haben. Sie haben sich so Reputation gekauft, viele haben auch in einer halblegalen Zone agiert. Wir mussten erst eine kritische Grösse erreichen und der regulatorische Rahmen musste geschaffen werden. Vor fünf Jahren wäre das Geldverschwendung gewesen. Aber jetzt sind wir nicht mehr in der Nische, sondern in der Breite angekommen.
Fussball und Tennis sind nicht etwas «Old-School» für eine junge, dynamische Branche?
Nein, das meine ich ja. Unsere Zielgruppe ist die breite Masse und die hole ich mit diesen Sportarten ab. In Österreich ist die Zahl der Bürger, die ein Konto bei uns haben, grösser als die Zahl derer, die Aktien besitzen.
Derzeit scheint am Bitcoin-Markt gerade eine gewisse Sättigungserscheinung zu herrschen, der Kurswert, Transaktions- und Miningaktivitäten sind in der Flaute. Haben Sie das erwartet, ist das ein Zwischentief?
Ich bin jetzt schon so viele Jahre dabei. Ich schaue da gar nicht darauf. Das sind monatliche, vielleicht sogar vierteljährliche Entwicklungen, mit Ausschlägen nach oben oder unten. Das lässt mich kalt. Wenn man in den Kurs-Chart reinzoomt, dann sieht man eine wahnsinnige Varianz. Die mehrjährige Entwicklung ist aber konstant – nach oben. Solange man langfristig und konservativ budgetiert, wird man nicht überrascht. Nur so konnte unsere Firma sich über zehn Jahr entwickeln.
Was sehen Sie als nächstes, grosses Ding, das wieder Auftrieb und Aktivität bringen könnte? Ist das DeFi, NFT, Stakin, Memecoins?
Es sind vor allem makroökonomische Ereignisse, weil der Kryptomarkt sich mittlerweile sehr nahe am traditionellen Finanzmarkt bewegt. Wenn es Zinssenkungen gibt und die Aktienkurse anziehen, ist es am Krypto-Markt genau so. Mittlerweile ist der Markt so etwas wie ein Nasdaq-100-ETF – also Tech-Aktien, die etwas mehr ausschlagen in beide Richtungen. Im Krypto-Markt ist mittlerweile viel institutionelles Geld aus den USA, also gleich wie bei den Tech-Titeln. Entscheidend wird aber auch sein, welche Krypto-Regulierung wir nächstes Jahr in den Vereinigten Staaten sehen werden.
Aber das ist ja nicht unbedingt gut für Bitpanda, wenn Krypto immer enger mit Tech-Aktien korreliert. Dann gibt es weniger Argumente, in digitale Assest zu diversifizieren.
Ich lege aber trotzdem in Krypto an, weil es weiterhin auch Faktoren gibt, die nur die Krypto-Industrie betreffen und damit eine Diversifikation bringen.
Was sagen Sie Bitcoin-Maximalisten, die anführen, Intermediäre wie Bitpanda seien im System nicht vorgesehen und es gelte: not your key not your coins?
Das kann jeder halten, wie er will. Letztlich kaufen diese Leute auch bei uns, lagern aber ihre Kryptos im eigenen Wallet. Wir sind regulierter Custodian, haben eine Cold-Wallet Insurance, Audits und Kunden haben ein volle Aussonderungsrecht und zudem besteht nicht die Gefahr, dass Kunden ihre Keys verlieren. Ohne Gesellschaften wie unsere, würde es keine Massenadaption geben, welche die Branche braucht. Das muss jeder selbst entscheiden. Ich bin gegen absolutistische Meinungen – in jedem Bereich.
Welchen Markt oder welches Produkt möchten Sie als nächstes erschliessen?
Es kommt bald ein Produkt für professionelle Investoren raus, mit dem man sehr viel traden kann. Wie bei einer Börse, aber ohne Liquiditätsprobleme.
Wie sieht der langfristige Plan aus, wird Bitpanda verkauft, steigen die Gründer aus?
Die Frage stellt man mir seit Jahren. Wir sind in alle Richtungen offen. Es gibt seit Jahren ein IPO-Readiness-Programm, das muss man frühzeitig aufgesetzt haben. Das Unternehmen ist aber so aufgestellt, dass es rentabel ist und selbst wachsen kann und auch selbst Übernahmen tätigen könnte. Wir sind nicht das klassische Fintech, das von Jahr zu Jahr neues Kapital braucht und viel Geld verbrennt.
Ist im IPO-Readiness-Programm bereits eine Börse definiert, wäre es Wien?
Es ist keine Börse definiert, aber Wien ist es sicher nicht. Die Liquidität ist hier viel zu klein. Wobei ich die Schweizer Börse sehr interessant finde. Sie ist für internationale Investoren in Europa wohl einer der besten Handelsplätze.
Bitpanda ist eines der am schnellsten wachsenden Fintechs in Europa. Vor zehn Jahren starteten die Österreicher als reine Krypto-Handelsplattform. Doch das Unternehmen hat sich zur Multi-Asset-Investment-Plattform gemausert. Mit den Jahren kam der Handel mit Edelmetallen und 2021 dann der provisionsfreie Handel mit Fraktionen von Aktien und ETF hinzu. Das Unternehmen bedient mittlerweile mit mehr als 700 Mitarbeitenden über 5 Millionen Privatkunden in Europa. Auch das B2B-Geschäft arbeitet profitabel und verfügt inzwischen über zahlreiche Lizenzen europäischer Regulierungsbehören. Im Abschwung 2022 erfolgte eine Strategieanpassung: Eine Neuausrichtung auf Effizienz und erhebliche Investitionen in Produkte und Dienstleistungen. Zum ersten Mal seit 2016 fiel in diesem Jahr ein Verlust an. 2023 kehrte Bitpanda in die Gewinnzone zurück. Die Einnahmen stiegen auf 147,6 Millionen Euro und der Gewinn vor Steuern belief sich auf 13,6 Millionen Euro. Neben dem Hauptsitz in Wien unterhält Bitpanda Büros in Amsterdam, Barcelona, Berlin, Bukarest, Dublin, Krakau, London, Madrid, Mailand und Zürich.
Eric Demuth (37) ist über die Pokerszene mit dem Thema Kryptowährungen in Kontakt gekommen. Ursprünglich wollte der Norddeutsche eigentlich Kapitän werden. Er machte eine Lehre als Schiffsmechaniker bei Hapag-Lloyd und studierte danach BWL in Wien.
Die Bitcoin-ETF bluten
Die amerikanischen Bitcoin-ETF verzeichnen die längste Serie von Nettoabflüsse seit ihrer Einführung im Januar dieses Jahres. Seit dem 25. August ist die Notierung des Bitcoins von über 64’000 Dollar auf kurzzeitig unter 58’000 Dollar gefallen. Die vom Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg zusammengestellten Daten zeigen, dass die Anleger in den acht Tagen bis zum 6. September insgesamt 1,2 Milliarden Dollar aus den 12 kotierten Indexfonds (ETF) abgezogen haben. Die Finanzmärkte standen in dieser Zeit wegen Sorgen um das Wirtschaftswachstum unter Druck. Uneinheitliche US-Arbeitsmarktdaten und deflationärer Druck in China belasteten die Börsen.
Ein Stablecoin zieht in das One World Trade Center in New York
Der Ort und der Monat sind historisch schwer beladen. Anfangs September wurde bekannt, dass Circle, der Emittent des zweitgrössten Stablecoins, den globalen Hauptsitz von Irland nach New York verlegen wird. Der Krypto-Dienstleister wird in das ikonische One World Trade Center einziehen, das «Nachfolgegebäude» der Twin Towers, die am 11. September 2001 durch einen Terroranschlag zerstört wurden. Freude am Umzug dürften auch die US-Präsidentschaftskandidaten haben, die vor Kurzem ihre Liebe zur Kryptoindustrie entdeckt haben. Die Verlegung dürfte aber weniger einer neuen Krypto-Freundlichkeit der Vereinigten Staaten geschuldet sein, sondern viel mehr dem US-Kapitalmarkt. Vor kurzem hatte Circle den Börsengang angekündigt. Der USDC von Circle ist der zweitgrösste Stablecoin nach dem USDT von Tether. Gemäss CoinDesk hat der Circle-Coin hat eine Marktkapitalisierung von 34 Milliarden Dollar und ein 24-Stunden-Handelsvolumen von 6,4 Milliarden Dollar.