Hotspot London
Mit der Integration von Credit Suisse und dem Zugriff auf Vermögensverwaltungskunden hat UBS 2024 im FX-Derivategeschäft neue Rekorde erzielt – und wurde dafür sogar ausgezeichnet.
25. Juli 2025 • Beat Schmid

Es ist fraglich, ob die UBS heute noch stolz auf die Auszeichnungen ist. Sie wurde 2025 mit den Risk Awards ausgezeichnet und kann sich in diesem Jahr Structured Products House of the Year sowie Currency Derivatives House of the Year nennen. Wie Recherchen zeigen, wurde damit vor allem die Arbeit eines Teams um Adrian Bracher von der UBS Investment Bank in London geehrt.

Bracher, der mit der Fusion mit der CS zur UBS wechselte, ist Managing Director und Global Head of Fixed Income Structuring. Bracher sowie Mathieu Reaud, Adrian Boehler und Natali Blondeau sind wichtige Köpfe hinter den hochgefährlichen Devisen-Derivaten, mit denen Schweizer Kunden in der Vermögensverwaltung zum Teil Millionen verloren haben.

Doch was haben Währungsspezialisten von der UBS Investment Bank in London mit der traditionellen Vermögensverwaltung zu tun? Das lässt sich detailliert aus Texten und Aussagen rekonstruieren, die im Rahmen der Preisverleihung entstanden sind.

Vereinfacht gesagt besteht der Clou darin: Mit dem Zugriff auf den riesigen Wealth-Pool der Vermögensverwaltung kann die Investment Bank ihren eigenen Kunden – meist Profi-Investoren wie Hedgefonds – deutlich attraktivere Konditionen für ihre Spekulationsgeschäfte anbieten. Brisant ist weiter: So richtig zum Fliegen kam die Zusammenarbeit erst im letzten Jahr.

Bessere Konditionen für Hedgefonds

Dazu muss man wissen: Das Derivate-Geschäft besteht im Kern im Vermitteln von zwei entgegengesetzten Interessen. Im FX-Derivate-Geschäft heisst das: Die einen spekulieren zum Beispiel auf einen steigenden Dollar (Hedgefonds), andere wollen sich gegen den Dollar absichern (Firmenkunden).

Die Aufgabe eines sogenannten Liquiditätsprovider wie der UBS Investment Bank besteht darin, Risiken zu übernehmen und weiterzureichen. Das funktioniert in einer Grossbank mit einer diversifizierten Kundenbasis am besten. Die entgegengesetzten Interessen können innerhalb der Bank miteinander abgeglichen werden. Häufig bedeutet das, das Interesse eines Hedgefonds mit jenem eines Firmenkunden zu kombinieren.

Ein Problem entsteht dann, wenn die Entwicklung der Währungspaare klar in eine Richtung geht. Das war im letzten Jahr der Fall. «Die Märkte für Devisenoptionen über verschiedene Währungspaare hinweg richtungsgetrieben», heisst es in einem Beitrag zu den Risk Awards auf der Plattform Risk.net. Für viele Liquiditätsanbieter bedeutete das, dass sie Schwierigkeiten hatten, Gegenparteien mit entgegengesetztem Interesse zu finden.

Doch nicht alle Anbieter seien davon betroffen gewesen: «Die UBS konnte dank ihres Zugangs zu Vermögensverwaltungskunden – gestärkt durch die Integration von Credit Suisse – Risiken intern absorbieren und Zahlungsströme auch in einem herausfordernden Marktumfeld monetarisieren», heisst es weiter.

Risiken der Wealth-Kunden rezyklieren

«In diesem Jahr (2024) war der Fokus auf unser Vermögensverwaltungsgeschäft besonders wichtig, da es uns definiert und mittlerweile einen wesentlichen Teil unseres Risiko-Inventars ausmacht, das wir innerhalb dem Rest der Bank rezyklieren», sagte Mathieu Reaud, Global Head of FX Derivatives Trading bei UBS, zu Risk.net.

Diese Fähigkeit habe sich insbesondere im ersten Halbjahr 2024 gezeigt, als die Volatilität im Schweizer Franken sprunghaft anstieg. Die Schweizerische Nationalbank war die erste G10-Zentralbank, die den Leitzins senkte – was zu erheblichen Schwankungen an den Devisenmärkten führte. Dies wiederum löste eine starke Nachfrage nach Optionen auf den USD/CHF aus, insbesondere von Hedgefonds, die auf klassische sowie einfache exotische Strukturen wie Call-Spreads und Digitals setzten.

UBS konnte diese Nachfrage bedienen, indem sie auf die Volatilitätsbereitstellung ihrer Wealth-Management- und Privatbankkunden zurückgriff. So war es möglich, auch in einem Umfeld stark gestiegener Absicherungskosten für Overnight-Volatilität konsistente Preise zu stellen. «Der Zugang zur Volatilität im Schweizer Franken aus dem Wealth-Management war entscheidend, um institutionellen Kunden Liquidität bereitzustellen», sagt Reaud.

Wie es im Bericht weiter heisst, verkaufte die UBS auch Derivate auf dem Währungspaar Dollar/Yen:

Kundinnen und Kunden aus dem Wealth-Bereich erwerben strukturierte Produkte wie sogenannte Accumulatoren mit Nullkostenstruktur, bei denen der Halter über gestaffelte Settlement-Termine einem Währungspaar ausgesetzt ist. Ein verwandtes Produkt ist der Target Redemption Forward (TARF), der dem Investor einen vorteilhaften Wechselkurs ermöglicht.

Solche Produkte bieten den Kundinnen und Kunden höhere Erträge auf ihren Basisanlagen – sie verkaufen gleichzeitig Volatilität an den Händler. Bei USD/JPY-TARFs etwa verkaufen die Kundinnen und Kunden Yen zu einem Kurs, der über dem Forward liegt. Dafür tragen sie das Risiko negativer Wechselkursentwicklungen. Sobald der Zielkurs erreicht ist, wird das Produkt deaktiviert; ein Re-Structuring ist möglich.

Vor der geldpolitischen Sitzung der Bank of Japan Ende Juli (2024), die ein breites Unwinding des Carry-Trades auslöste, hatten viele Wealth-Kunden ihre TARF-Positionen ausgebaut. UBS konnte diese Volatilität an Hedgefonds und Asset Manager weiterverkaufen.

«Wir hatten ein grosses Angebot aus dem Wealth-Management – das nutzten wir, um signifikante Downside-Optionen mit institutionellen Anlegern zu handeln», erklärt Reaud. «Diese stetige Volatilitätsquelle erlaubt es uns, wesentlich wettbewerbsfähiger zu preisen.»

Das Derivate-Geschäft stieg 2024 stark an

Wie aus dem Bericht hervorgeht, war das Wachstum im letzten Jahr enorm. Die sogenannten Accumulator-Geschäfte mit Wealth-Management-Kunden (dazu zählen auch die umstrittenen Target Redemption Forwards) stiegen weltweit im Jahresvergleich um 30 Prozent. Die Zahl der aktiven Kundinnen und Kunden in diesem Segment legte sogar um 40 Prozent zu.

Als Katalysator erwies sich offenbar die Übernahme von Credit Suisse. «Die Integration hat unsere Strategie nicht verändert, aber deutlich beschleunigt – insbesondere durch den grösseren Fussabdruck und die Skalierung in Kernbereichen», sagte Adrian Boehler, Global Head of Macro Distribution bei UBS, zu Risk.net.

Mit der Integration der CS konnte die UBS ihre Volumen und Erträge im FX-Derivategeschäft deutlich steigern. Im Risk.net-Bericht heisst es dazu: «Gemäss UBS stiegen die gehandelten Volumina im Jahresvergleich um 25 Prozent, die Einnahmen aus FX-Optionen befinden sich 2024 unter den drei besten Jahren der letzten zwölf Jahre.»

Das Team in London von Adrian Bracher mag zwar die hochgefährlichen Produkte konstruiert haben, doch verkauft wurden sie über das Wealth Management. In der Schweiz, aber auch in anderen Märkten, wie man jetzt weiss. In der Abteilung Global Wealth Management liegt denn auch die Verantwortung für die Verluste, die den Kunden in der Schweiz und in anderen Ländern entstanden sind.

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