CS vor der letzten Generalversammlung
Ein Blick auf die Zusammensetzung des CS-Verwaltungsrats zeigt: Viele Mitglieder hatten kaum Banking-Erfahrung. Jahrelang sass ein Maschineningenieur im Risikoausschuss. In den letzten 12 Jahren bezogen 38 Verwaltungsräte insgesamt 130 Millionen Franken.
4. April 2023 • Beat Schmid

An der Generalversammlung stehen sie alle zur Abwahl, die noch amtierenden Verwaltungsräte der Credit Suisse – die obersten Führungsleute der Grossbank, die es bald nicht mehr geben wird. Weil langjähriges Missmanagement, Pleiten, Pech und Pannen das Vertrauen der Kunden so stark zerstört haben, dass am Schluss nur noch die Resolution, wie eine Bankpleite auf Neudeutsch bezeichnet wird, oder der Notverkauf an die UBS als letzte Option übrigblieb.

Dass es so weit gekommen ist, dafür trägt der Verwaltungsrat die Verantwortung. Er ist es, der die Manager bestimmte. Er ist es, der wichtige Geschäftsbeziehungen absegnen musste. Er ist es, der dem Konstruktionsfehler bei den Greensill-Fonds auf die Schlichte hätte kommen sollen. Er war es, der die milliardenschweren Bonuspakete absegnete.

Tippinpoint stieg in die Geschäftsberichte der vergangenen 12 Jahre. Wer sass wie lange im Gremium, wie viel verdiente er oder sie? In welchen Ausschüssen waren sie Mitglied?

Seit 11 Jahren sitzt Iris Bohnet im Verwaltungsrat der Credit Suisse. Niemand ist länger dabei als die Harvard-Professorin für Public Policy an der Kennedy School. Laut Wikipedia liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit bei der “Gleichstellung und dem Gender Bias”. Bohnet, so heisst es weiter, kombiniert Ökonomie und Psychologie, um Entscheidungen in Organisationen und der Gesellschaft zu verbessern. Sie ist Autorin des Buchs “What Works – wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann”.

“Wenn wir diesen Weg gehen, dann wird das für alle wahnsinnig teuer”

Vor vielen Jahren wurde sie in einem Interview mit dem “Tages-Anzeiger” gefragt, ob ein Banker “ganz ehrlich” sein müsse. Sie machte die schon fast prophetische Aussage: “Wenn ich als Kundin komme und ihm sage, mein Vermögen ist 50’000 Franken, und ich möchte dieses Geld so gut wie möglich anlegen, muss er ganz ehrlich zu mir sein. Aber das kann ich nur hoffen. Ich wünsche mir nicht, dass wir in eine Welt hineinrutschen, in der jeder versucht, die möglichst schlechteste Arbeit zu leisten und den grössten Profit einzustreichen, bis er entdeckt wird oder auffliegt. Wenn wir diesen Weg gehen, dann wird das für alle wahnsinnig teuer.”

Wie sie ihre Verantwortlichkeiten sieht im Jahrhundertdebakel, würde man gerne von ihr erfahren. Doch Bohnet schweigt lieber dazu. Eine E-Mail-Anfrage liess die Verhaltensökonomin unbeantwortet. Die amtsälteste Verwaltungsrätin der CS verdiente durchschnittlich 357’000 Franken pro Jahr. Insgesamt waren es knapp 4 Millionen Franken. Sie ist Vorsitzende des Sustainability Advisory Committee und Mitglied des Vergütungsausschusses.

Urs Rohner war zwischen 2011 und 2021 Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse und damit oberster Verantwortungsträger der Bank. Er auch war kein Banker, sondern Jurist und arbeitete, bevor er von Walter Kielholz zur CS gelotst wurde, als Medienmanager in der deutschen Privatfernsehindustrie. Als Präsident bezog Rohner pro Jahr ein Honorar von durchschnittlich 3,9 Millionen Franken; insgesamt waren es 42,7 Millionen Franken seit 2011.

Der Brite John Tiner sass ab 2009 im CS-Verwaltungsrat. Der frühere Chef der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA musste 2021 wegen Erreichen der Amtszeitbeschränkung abtreten. Der Wirtschaftsprüfer leitete während neun Jahren das Audit-Committee und war auch Mitglied des Risikoausschusses sowie des Nominations-Ausschusses. Er bezog im Schnitt 1,1 Millionen Franken. Von 2011 bis 2021 kommt ein Honorar von 11,1 Millionen Franken zusammen.

Ein Maschineningenieur im Risikoausschuss

Kai Nargolwala kam 2013 in den Verwaltungsrat der CS und übernahm 2017 den Vorsitz des Vergütungsausschusses. Bevor er in den CS-Verwaltungsrat kam, war er Chef der Region Asien Pazifik der CS. Nargolwala ist Banker und war vor seinem Engagement bei der CS unter anderem bei der Standard Chartered Bank. In den neun Jahren als Verwaltungsrat bezog er 4,9 Millionen Franken (545’000 Franken im Schnitt).

Bis heute Mitglied im Verwaltungsrat der CS ist Seraina Macia. Die schweizerisch-australische Managerin ist Finanzanalystin und arbeitete vor allem in der Versicherungsindustrie, viele Jahre bei der Zurich. In den letzten acht Jahren kommt sie auf ein Honorar von insgesamt 3 Millionen oder durchschnittlich 386’000 Franken pro Jahr. Seit 2018 ist die Nicht-Bankerin Mitglied des Risikoausschusses.

Andreas N. Koopmann war von 2009 bis 2019 im CS-VR. In all den Jahren war er Mitglied des Risk Committee und ab 2013 Mitglied des Vergütungsausschusses. Aus ausgebildeter Maschineningenieur hat Koopmann nie in einer Bank gearbeitet. Koopmann war bis 2020 Verwaltungsratspräsident von Georg Fischer. Er bezog ein Honorar von durchschnittlich 376’000 Franken.

Ebenfalls acht Jahre im Verwaltungsrat der Credit Suisse sass Roche-Präsident Severin Schwan. Er trat vor einem Jahr zurück, zuletzt war er als sogenannter Lead Independent Director die Nummer 2 im Gremium. Der Jurist sass ebenfalls jahrelang im Risikoausschuss der Grossbank. Sein Honorar betrug 2,9 Millionen Franken oder 370’000 Franken pro Jahr. Insgesamt waren es über 3 Millionen Franken.

Wie die Analyse von Tippinpoint zeigt: Seit 2011 sassen 38 Personen im CS-Verwaltungsrat. In dieser Zeit bis heute bezogen sie ein Gesamthonorar von 132 Millionen Franken – mit Abstand am meisten ging auf das Konto von Urs Rohner. Durchschnittlich ergibt das 3,4 Millionen Franken pro Kopf.

Es gab drei Präsidenten in dieser Zeit: Urs Rohner von 2011 bis 2021. António Horta-Osório von in 2021 bis 2022 und Axel Lehmann, der ihn ablöste und heute Dienstag die voraussichtlich letzte Generalversammlung der Credit Suisse im Hallenstadion in Zürich leiten wird.

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