Fall Karimowa
Wenn Bundesrat Ignazio Cassis heute zu einer siebentätigen Reise nach Zentralasien und Pakistan aufbricht, geht es auch um die Russland-Sanktionen und um einen der spektakulärsten Geldwäschereifälle, der die hiesigen Behörden seit elf Jahren beschäftigt.
3. Juli 2023 • Balz Bruppacher

Im Sommer 2012 beschlagnahmte die Bundesanwaltschaft mehr als 800 Millionen Franken aus dem Umfeld von Gulnara Karimowa, der schillernden Diplomatin und Tochter des usbekischen Langzeitpräsidenten Islam Karimow.

Die einstige «Prinzessin» sitzt inzwischen unter unklaren Umständen in Taschkent in Haft, ihr Vater ist 2016 gestorben, und sein Nachfolger Schawkat Mirsijojew gibt sich als Reformer der autoritären Strukturen in der ehemaligen Sowjetrepublik.
Bild passt der Besuch von Cassis in der usbekischen Hauptstadt, will der Schweizer Aussenminister mit seinem Gastgeber doch eine erste Bilanz über die Rückerstattung der hierzulande eingefrorenen Korruptionsmillionen ziehen. Es geht um die Umsetzung eines Abkommens, das die Schweiz und Usbekistan im vergangenen August unterzeichnet hatten und das sicherstellen soll, dass die restituierten Gelder der usbekischen Bevölkerung zugutekommen. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Treuhandfonds der UNO.

Geld für Projekte gegen Kindersterblichkeit und für Schulbildung

Vorerst stehen rund 131 Millionen Dollar zur Verfügung, die die Bundesanwaltschaft im Mai 2018 mit einem Strafbefehl gegen den früheren Karimowa-Ehemann Rustam Madumarow eingezogen hatte. Daraus wurden Ende 2022 rund 95 Millionen an den UNO-Fonds überwiesen.

Nach Auskunft von Cassis-Sprecher Nicolas Bideau ist geplant, mit dem Geld Projekte zur Senkung der Mütter- und Kindersterblichkeit sowie zur öffentlichen Schulbildung zu unterstützen. Noch müssen die Projekte von den Organen des Fonds genehmigt werden. Vorgesehen ist auch eine zivilgesellschaftliche Begleitung.

Der komplizierte Rückerstattungsmechanismus soll sicherstellen, dass die Schweiz ihrem Ruf als Pionierin im sogenannten Asset Recovery, der Rückerstattung illegal erworbener Potentatengelder, gerecht wird. Die Karimowa-Affäre, bei der es um Schmiergeldzahlungen von internationalen Telekom-Konzernen in Milliardenhöhe für den Erwerb von Mobilfunklizenzen in Usbekistan geht, brachte auch die hiesige Justiz an ihre Grenzen.

Die Bundesanwaltschaft (BA) stützte die Einziehung des Löwenanteils der beschlagnahmten Gelder auf Strafbefehle gegen vier mutmassliche Komplizen von Gulnara Karimowa, die ihrerseits langjährige Freiheitsstrafen in Usbekistan verbüssen und dort Geständnisse ablegten. Das Strafverfahren gegen die 50-jährige Hauptbeschuldigte ist hingegen nach wie vor im Gang.

Verfahren der Bundesanwaltschaft wackelt

Die Bundesanwaltschaft erlitt zudem vor Jahresfrist einen empfindlichen Rückschlag, als das Bundesstrafgericht Karimowas Status als ehemaligen UNO-Diplomatin Usbekistans nicht als «Amtsträgerin» im Sinne des Korruptionsstrafrechts anerkannte. Die BA ging inzwischen ihrerseits in die Offensive, indem sie das Karimowa-Verfahren um den Tatbestand der kriminellen Organisation erweiterte. Im Falle von weiteren 210 Millionen Dollar ist die Einziehung der Bundesanwaltschaft rechtskräftig.

Noch können die Gelder aber nicht an den UNO-Fonds überwiesen werden. Der Vollzug der Einziehung sei noch nicht abgeschlossen, heisst es im Departement Cassis. Im Falle von weiteren 293,6 Millionen Dollar hiess die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts einen Rekurs Karimowas teilweise gut, hob die Einziehung auf und wies den Fall zur Neubeurteilung an die Strafkammer des Gerichts zurück.

In den ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan und Usbekistan werden beim Besuch des Schweizer Aussenministers auch die Konsequenzen des russischen Angriffs auf die Ukraine zur Sprache kommen. Hier schuf die EU mit ihrem 11. Sanktionspaket gegen Russland am 23. Juni zusätzliche Aktualität. Es geht dabei insbesondere um die Verhinderung von Umgehungen der bisherigen Sanktionen.

Exportanstieg nach Zentralasien im Visier der Russland-Sanktionen

Die Länder in Zentralasien kommen insofern ins Spiel, als die Entwicklung des Aussenhandels Hinweise auf Umgehungsgeschäfte über diese Länder liefert. «Zur Frage der Übernahme des 11. Sanktionspaketes der EU wird der Bundesrat sich zu gegebenem Zeitpunkt äussern», erklärt Cassis-Sprecher Bideau.

Der Blick in die Aussenhandelsstatistik zeigt, dass die Schweizer Exporte nach Zentralasien letztes Jahr zum Teil sprunghaft gestiegen sind. Nach Kasachstan nahmen die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent zu. Im Falle Usbekistans machte der Anstieg 24 Prozent aus. Um 47 Prozent erhöhten sich die Exporte nach Aserbaidschan. Sogar auf mehr als das Dreifache (+ 228 %) stiegen die Ausfuhren nach Armenien, allerdings auf tiefem Niveau.