Politik
Nicht alle Probleme im Zusammenhang mit den Russengeldern haben das Potenzial für eine Staatskrise. Aussitzen lassen sie sich aber nicht.
7. August 2023 • Balz Bruppacher

Nach dem Schock über den Untergang der Credit Suisse (CS) steuert die Schweiz im Urteil vieler Auguren auf das nächste Debakel zu. Das Land und sein Finanzplatz riskiere wegen des Umgangs mit den Russengeldern und unbewältigter Altlasten zum internationalen Paria zu werden, wird prophezeit. Vergleiche mit der Krise um die Holocaust-Gelder und mit der Preisgabe des Bankgeheimnisses werden heraufbeschworen. Und zur Mobilisierung aufgerufen; vor allem der Bundesrat müsse aus seiner sommerlichen Lethargie aufwachen.

Die Lage ist zwar ernst, aber nicht hoffnungslos, ist man beim genaueren Hinsehen versucht zu sagen. Sieht man vom Grundsatzkonflikt über die Neutralitätspolitik ab, geht es um eher zweitrangige Probleme, die durchaus lösbar sind. Beziehungsweise, die ohne Gesichtsverlust seit langem hätten gelöst werden können. Das gilt vor allem für den „Hauptaufreger“, die Frage einer Schweizer Beteiligung an der von den USA initiierten Task Force Repo (Russian Elites, Proxies and Oligarchs) zur Suche und Sperrung russischer Oligarchenvermögen.

Der Eiertanz um den Beitritt zur Oligarchen-Task-Force

Zwar hat der Bundesrat entgegen einer verbreiteten Darstellung den Beitritt zu diesem Gremium, dem die G-7-Staaten und Australien angehören, nie formell abgelehnt. Richtig ist vielmehr, dass sich der Bundesrat vor Jahresfrist gegen eine Motion der St. Galler Grünen Franziska Ryser aussprach. Zum geforderten Mitmachen aber festhielt: «Die Schweiz steht bereits heute mit verschiedenen Mitgliedern in Kontakt. Die Form, der praktische Nutzen bzw. Mehrwert sowie die weiteren Implikationen einer Zusammenarbeit der Schweiz im Rahmen dieser Task Force werden zurzeit unter Berücksichtigung rechtlicher und politischer Erwägungen geprüft. Diesen Abklärungen soll nicht vorgegriffen werden.»

Würden diese Abklärungen nicht nach wie vor andauern und hätten die zuständigen Departemente für Wirtschaft und für Äusseres nicht einen eigentlichen Eiertanz dazu aufgeführt, hätte man sich Vieles ersparen können. Zum Beispiel die ungehobelten Äusserungen des US-Botschafters in Bern, der die Schweiz in der tiefsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg sieht, oder den ebenfalls wenig diplomatischen Appell der G-7-Botschafter an den Bundesrat. Inzwischen scheint es auch bürgerlichen Politikern zu dämmern, dass das Abseitsstehen der Schweiz bei der internationalen Oligarchen-Arbeitsgruppe vielleicht das falsche Objekt für die Demonstration der Eigenständigkeit der Schweiz ist.

Wer zu spät kommt, …

Selbst wenn der Bundesrat sich demnächst zu einem Beitritt der Schweiz zur Task Force Repo durchringen sollte oder wenn der Nationalrat dies bei der Behandlung der Motion Ryser beschliessen sollte (wobei dann der Ständerat das letzte Wort hätte), bliebe der Schweiz einmal mehr der Vorwurf des Einknickens auf ausländischen Druck nicht erspart. Wobei im Unterschied zu früheren Fällen nicht einmal klar ist, was der Grund für die Hinhaltetaktik von Regierung und Verwaltung ist.

Sind es die Sorgen der Banken um die letzten Überreste des Bankgeheimnisses? Oder befürchtet man im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), dass der internationale Austausch von Informationen über die Russengelder doch noch grössere Versäumnisse bei der Umsetzung der Sanktionen zu Tage fördert?

Die Suche nach den Oligarchengeldern erinnert zudem daran, dass die Schweiz in der Bekämpfung der Gelwäscherei eine offene Flanke hat. Es geht um die sogenannten «Enabler», also jene Berater (Anwälte, Treuhänder etc.), die lichtscheuen Milliardären mit juristischen Tricks behilflich sind, ihr Vermögen vor dem Fiskus und der Strafverfolgung zu verstecken. Hier kann man dem Bundesrat keine Versäumnisse vorwerfen, war es doch das Parlament, das im März 2021 eine Unterstellung der Berater unter das Geldwäschereigesetz ablehnte.

An einer der ersten Sitzungen nach den Sommerferien will das Finanzdepartement dieses Anliegen dem Vernehmen nach neu aufgleisen, zusammen mit einer im Justizdepartement ausgearbeiteten Vorlage zur Schaffung eines Registers der wirtschaftlich Berechtigten an Unternehmen. Ob und wie rasch das Parlament (und die darin vertretene Lobby der Anwälte) die Schweiz hier mit dem internationalen Mindeststandard in Einklang bringt, ist eine andere Frage.

Steuererleichterungen für den Rohstoffsektor?

Wegen mangelnder Transparenz ist der Rohstoffhandel in der Kritik. Die aussenpolitische Kommission des Nationalrats hat den Bundesrat kürzlich mit klarem Mehr aufgefordert, in einem Bericht darzulegen, inwieweit die Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor eingehalten werden und wo noch Mängel bestehen. Weitergehende Forderungen nach einer Rohstoffmarktaufsicht blieben politisch bisher chancenlos.

Gespannt darf man sein, was mit der vom Bundesrat beantragten Einführung einer Tonnage Tax passiert, die die Schifffahrt und damit die Rostoffhändler steuerlich entlasten soll. Denn Finanzministerin Karin Keller-Sutter dürfte das Anliegen nur halbherzig unterstützen, wenn überhaupt.

Helsinki-Kommission verwechselte Schweiz mit Schweden

Und dann ist da noch die Helsinki-Kommission des US-Parlaments, die die Kritik des Investors Bill Browder an der Schweiz und vor allem an der Bundesanwaltschaft wegen der Einstellung des Strafverfahrens im Fall Magnitski aufgenommen hat. Aus der Kontroverse über die Gelder aus der Nazizeit auf hiesigen Banken weiss man, dass US-Senatoren (D’Amato!) nicht unterschätzt werden sollten.

Dennoch bleibt abzuwarten, ob die Forderung nach Sanktionen gegen Ex-Bundesanwalt Lauber von der US-Regierung aufgenommen wird. Das Hearing der Helsinki-Kommission hinterliess jedenfalls keinen überzeugenden Eindruck (der Vorsitzende leistete sich sogar einmal den klassischen Versprecher zwischen Schweiz und Schweden). Im Fall Magnitski ist übrigens noch nicht in letzter Instanz entschieden, ob die Schweiz die Sperre von 14 Millionen Dollar aufhebt und die Gelder an drei umstrittene russische Kontoinhaber freigibt.

Das Bundesgericht sprach sich in einem Rechtshilfefall kürzlich gegen die Freigabe gesperrter Russengelder aus, allerdings aus der Überlegung, dass Russland dereinst – zurzeit ist der Rechtshilfeverkehr wegen des Kriegs gegen die Ukraine unterbrochen – neu Rechtshilfe beantragen könnte.

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