Korruption und Geldwäsche
Nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation erfüllt die Schweiz die jüngst verschärften internationalen Standards zur Bekämpfung der Geldwäscherei nicht mehr.
9. August 2023 • Beat Schmid

Der Fall Pierin Vincenz hätte sich so nicht ereignet, wenn die Schweiz schon damals über ein Register aller wirtschaftlich Berechtigten von nicht börsenkotierten Aktiengesellschaften verfügt hätte. Dann wäre es dem ehemaligen Raiffeisen-Chef und seinen Kollegen nicht möglich gewesen, verdeckt eine Aktiengesellschaft zu kontrollieren, die Beteiligungen aufkaufte und an Firmen weiterverkaufte, in denen Vincenz und sein Kompagnon das Sagen hatten. Im Handelsregister war nur ein Anwalt eingetragen, die Namen von Pierin Vincenz und Beat Stocker waren nicht ersichtlich.

Wie Transparancy International in einem heute veröffentlichten Bericht aufzeigt, genügen die Mittel der Schweiz zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Korruption nicht mehr. Ein zentrales behördliches Register über die wirtschaftlich Berechtigten an juristischen Personen und anderen Rechtsträgern sei «ein wesentlicher und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil eines zeitgemässen Anti-Geldwäscherei-Dispositivs», schreibt Transparency.

Die Organisation fordert ein Register, das folgende Eckwerte erfüllen sollte:

• Das Register sollte alle risikobehafteten Rechtsträger erfassen, um keine Schlupflöcher für Geldwäscherei zu bieten.

• Die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten sollten möglichst vollständig und korrekt sein. Die Qualität der Einträge sollte deshalb über einen mehrgleisigen Ansatz sichergestellt werden, einschliesslich behördlicher Kontrollen und Unstimmigkeitsmeldungen durch die Nutzer des Registers.

• Der Zugang zum Register sollte nicht auf Behörden und Finanzintermediäre beschränkt sein, sondern möglichst vielen Personen offen stehen. Wie in vielen anderen Ländern sollten insbesondere auch Medienschaffende und Nichtregierungsorganisationen Zugang zum Register erhalten, da sie nach Ansicht von Transparency einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung von Korruptions- und Geldwäschefällen leisten. Um ihre eigene Korruptions- und Geldwäschereiprävention zu verbessern, sollten auch Unternehmen (für Integritätsprüfungen ihrer Geschäftspartner) auf das Register zugreifen können.

Regeln auf internationaler Ebene verschärft

Auf internationaler Ebene hat das Anti-Geldwäschereigremium FATF (Financial Action Task Force) jüngst seine Transparenz-Standards verschärft. Da die Schweiz Mitgliedstaat der FATF ist, stehe sie «nun in der Pflicht, den verschärften internationalen Standard im Landesrecht umzusetzen», schreibt Transparency. Die aktuelle Schweizer Regelung, wonach bestimmte Unternehmen eine interne Liste ihrer wichtigsten wirtschaftlich Berechtigten führen müssen, erfüllt in den Augen von Transparency die FATF-Anforderungen nicht mehr. Die meisten EU-Staaten würden ein entsprechendes Register bereits kennen.

Beim Bund sind Vorbereitungen am Laufen. Der Bundesrat hat letzten Oktober angekündigt, diesen Sommer die Vernehmlassung für eine Vorlage zur Schaffung eines behördlichen Registers der wirtschaftlich Berechtigten zu eröffnen. Die Schweiz sollte «rasch» ein zentrales behördliches Register der wirtschaftlich Berechtigten schaffen, das den FATF-Standard erfüllt und den anderen Ländern nicht nachstehe, sagt Transparency-Schweiz-Geschäftsführer Martin Hilti. «Sonst riskiert die Schweiz, weiterhin Kriminelle anzuziehen mit den damit verbundenen Folgeschäden.»

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