Buch liefert brisante Fakten
Die UBS wollte den Marktpreis zahlen, doch SNB-Chef Thomas Jordan hielt eine Milliarde Franken für angemessen. Axel Lehmann wird als «Brian der Finanzindustrie» verspottet.
25. August 2023 • Beat Schmid
Dirk Schütz, Chefredaktor der «Bilanz», liefert in einem Buch neue, detaillierte Fakten zum Niedergang der Credit Suisse, den Rettungsversuchen des Bundes und dem Notverkauf an die Konkurrentin UBS.
Die letzte Phase des Niedergangs beginnt mit dem berüchtigten Tweet des Journalisten David Taylor im Oktober 2022, der über den Konkurs der Grossbank spekuliert. Danach schalten die drei Behörden EFD, SNB und Finma in den Alarmmodus, wie Schütz in seinem Buch «Zu hart am Wind» schreibt. Die Finma setzt einen Krisenstab mit einem Dutzend Mitarbeitenden ein, der sich fast täglich trifft. Mindestens einmal täglich, oft mehrmals, erhält die Behörde ein Update von der CS. Entscheidender Indikator: die Liquidität.
Der Finanzkrisenausschuss tagt inzwischen wöchentlich, der Steuerungsausschuss mit den Bundesrat Ueli Maurer, SNB-Präsident Jordan und Finma-Präsidentin Marlene Amstad alle zwei Wochen. Anfang November trat SNB-Chef Thomas Jordan vor den Bundesrat und schilderte die bedrohliche Lage: Die SNB müsse 50 Milliarden an Liquiditätshilfe einschiessen, der PLB (Public Liquidity Backstop) müsse vorgezogen werden.
Der Gesamtbundesrat wird erstmals über die Schieflage informiert. Für den folgenden Freitag wird eine ausserordentliche Bundesratssitzung einberufen, die Finanzminister Maurer jedoch absagt. Der Bundesrat verlangt von ihm eine Information über die CS. Diese bleibt jedoch aus.
Mitte November sinkt der Kurs der CS auf 2.75 Franken. Mauer und Jordan sind bereit, 50 Milliarden an Liquiditätshilfe bereitzustellen, doch Jordan ist das Risiko ohne zusätzlichen Notfallplan zu gross. Die Finma fordert von CS-Präsident Axel Lehmann einen Plan B: Er soll einen Käufer suchen. Doch der weigert sich. Ein regulärer Verkauf mit allen rechtlichen Schritten sei in dieser Notsituation nicht praktikabel. Jordan bestärkt ihn in dieser Haltung.
Lehman engagiert daraufhin die US-Konkursspezialisten Sullivan & Cromwell. Gemeinsam mit Jordan und Maurer wird das Szenario entwickelt: Entweder die Sanierung klappt, oder es kommt zum Notverkauf an die UBS. Jordan bittet Lehmann, einen Datenraum für die Notübernahme durch die UBS einzurichten. Jordan und Maurer informieren auch UBS-Präsident Colm Kelleher über das Notfallszenario einer Übernahme der CS durch die UBS.
Im Januar tritt Karin Keller-Sutter ihr Amt an. Als neue Finanzministerin habe sie die Transparenz im Bundesrat erhöht, heisst es im Buch. Lehmann gilt bei Finma und EFD als renitent, das EFD nennt ihn den «Brian der Finanzindustrie» – wie der bekannteste Intensivtäter der Schweiz tanzte Lehmann den Behörden «lustvoll auf der Nase herum». Der CS-Präsident weigerte sich beharrlich, einen Plan B vorzulegen.
Die Vorbereitungen der UBS
Parallel zu den Notfallübungen der Bundesbehörden bereitete sich die UBS auf eine Übernahme im Juli 2022 vor. Kelleher soll seinen Landsmann und langjährigen Kollegen bei Morgan Stanley, Colm Donlon, mit der Ausarbeitung eines Übernahmeszenarios beauftragt haben. Ab Oktober 2022 landet viel Geld verunsicherter CS-Kunden bei der UBS. Kelleher beruft das Adhoc Strategy Committee ein, dem die Verwaltungsräte William Dudley, Fred Hu, Dieter Wemmer und Julie Richardson angehören. Morgan Stanley erhält ein formelles Mandat, CEO Hamers wird vom Verwaltungsrat beauftragt, die Übernahme zu prüfen. Im November 2022 wird Kelleher von Jordan und Maurer informiert, dass eine Zwangsübernahme der CS das wahrscheinlichste Notfallszenario sei. Anfang Dezember 2022: Maurer erstellt zusammen mit Morgan Stanley und Bär & Karrer eine detaillierte Analyse der Übernahme. Am 21. Dezember 2022 lehnt der Verwaltungsrat die Übernahme ab, signalisiert aber Offenheit für eine Notübernahme. Ende Januar 2023 statten Kelleher und Gähwiler Karin Keller-Suter einen Antrittsbesuch ab. Ihre Botschaft: Wir streben keine Übernahme an, stehen aber im Notfall zur Verfügung. Am 15. März um 14 Uhr erhält Kelleher einen Anruf von Thomas Hirschi, dem Chef der Bankenaufsicht Finma. Die beiden hatten für den Nachmittag ein Routinetreffen vereinbart. Doch nun ging es um die Übernahme. Der Termin ist auf 16 Uhr angesetzt. Kelleher kommt mit drei Mitstreitern zum Treffen, das in der Zürcher Finma-Dependance an der Wasserwerkstrasse stattfindet. Mit dabei: Vizepräsident Lukas Gähwiler, Rechtsvorstand Barbara Levi und VR-Sekretär Markus Baumann. CEO Hamers ist an einer Bankenkonferenz in London. Er will sich per Videokonferenz zuschalten, doch Kelleher verbietet das. Die UBS-Delegation legt einen Einseiter mit elf Forderungen auf den Tisch. Die wichtigste: keine Auflagen für die Integration des Schweizer Geschäfts. Zwei Forderungen betreffen die finanzielle Seite: Staatsgarantien durch den Bund und Liquiditätshilfe durch die SNB. Dann: Kein Aufschlag auf den aktuellen Marktwert der CS, Kontrolle über die Rechtsstruktur, Anerkennung des Badwills bei der Übernahme des CS-Eigenkapitals, keine Restriktionen bei Aktienrückkäufen, volle Offenlegung der Finma-Informationen über die CS, sofortiger Zugang zur ersten Führungsebene der CS, Kontrolle über die CS-Kommunikation und eine Erklärung, dass die UBS von den Behörden zur Übernahme aufgefordert wurde. Die Abschreibung der AT-1-Anleihen soll nicht auf der Liste gestanden haben. Brisant ist, dass die UBS ursprünglich bereit war, den Marktpreis zu zahlen. Dieser lag am Freitag bei 1.86 Franken pro Aktie. Tatsächlich hat sie am Ende deutlich weniger bezahlt – aber dazu gleich mehr.Das Wochenende
Dann kommt die allerletzte Phase. Kelleher erhält vom VR die Verhandlungsvollmacht. Er bietet 3 Milliarden für die CS. Brisantes Detail: Zur Überraschung Kellehers sagt SNB-Chef Thomas Jordan im Namen der Troika, er halte «eine Milliarde Franken für angemessen». Kelleher willigt ein und versucht, seinen CS-Kollegen zu erreichen, um ihn über den Kaufpreis zu informieren. Als er Lehmann erreicht, bietet er ihm eine Milliarde. Lehmann ist konsterniert. 19. März: Die UBS-Delegation trifft in Bern ein. Die Verhandlungen mit dem Bundesrat und der Troika sind auf 10 Uhr angesetzt, werden aber wegen der vorhergehenden hitzigen Gespräche mit der CS auf 10.40 Uhr verschoben. Lehmann fordert mindestens 3 Milliarden für die CS. Kelleher verlangt im Gegenzug höhere Staatsgarantien. Der Bund bot fünf, dann sieben, am Ende einigte man sich auf neun Milliarden. Am Nachmittag stimmte der UBS-Verwaltungsrat der Übernahme zu. Kelleher signalisierte, dass er Ermotti zum CEO machen wolle. Als UBS-CEO Ralph Hamers davon erfährt, ist er schockiert. Das «Bilanz»-Buch «Zu Hart am Wind» von Dirk Schütz erscheint in der Beobachter-Edition, Ringier Axel Springer Schweiz AG.UBS will CS Schweiz integrieren und die legendäre Marke sterben lassen
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