Zu Beginn überraschte die COP28 positiv mit der Einrichtung des lange erwarteten «Loss and Damage Fund», der vom Klimawandel besonders betroffene Entwicklungsländer entschädigen soll. Mit zunächst 430 Millionen US-Dollar soll die Weltbank Schäden ausgleichen, die durch Extremwetterereignisse, Meeresspiegelanstieg oder Dürren entstehen – ein Tropfen auf den heissen Stein im Vergleich zu den milliardenschweren Militärausgaben für die aktuellen geopolitischen Konflikte.
Diese ursprünglich frohe Botschaft wurde alsbald überlagert durch Enthüllungen, dass der COP-Präsident Dr. Sultan al Jaber, der in Personalunion auch Chef der staatlichen Erdölfirma ADNOC der Vereinigten Arabischen Emirate ist, höchstpersönlich die Klimakonferenz für das Aushandeln neuer Geschäfte nutzen wollte. Schon im Vorfeld waren die Emotionen hochgeschlagen, weil 2456 der akkreditierten Delegierten an der Klimakonferenz Erdöllobbyisten waren. Doch bei aller Kritik: Trotz dieser enormen Zahl ist der Anteil der Lobbyisten mit weniger als 3,5 Prozent relativ gering und schliesslich muss derjenige Sektor mit am Verhandlungstisch sitzen, der den grössten Teil der Anpassung an die Klimaziele leisten muss.
Doch dann gingen auch die Emotionen mit Verhandlungsführer Al Jaber durch. In einer hitzigen Diskussion mit der ehemaligen irischen Premierministerin Mary Robinson erklärte er, dass hinter der Forderung, dringend aus fossilen Brennstoffen auszusteigen, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, «keine Wissenschaft» stehe. Ein Ausstieg würde die Menschheit «zurück in die Höhlen» schicken. Die Empörung unter den Klimaschützern war entsprechend gross.
In einer hastig einberufenen Pressekonferenz bekannte sich Al Jaber zwar zu den Klimawissenschaften, vermied aber um jeden Preis das Wort Ausstieg («Phase-out») und ersetzte es stattdessen durch das Wort Abbau («Phase-down»). Der Weltklimarat (IPCC) hat jedoch eine breitere Palette von Anpassungspfaden untersucht und bestätigt, dass das Erreichen von Netto-CO2-Emissionen zum Stoppen der globalen Erwärmung «erhebliche» Einschnitte bei der Nutzung fossiler Brennstoffe erfordern würde, wobei nur eine «minimale» Nutzung bei gleichzeitig geringer Kohlenstoffspeicherung verbleiben würden. So blieb Al Jabers Aussage im offenen Widerspruch zur Wissenschaft.
Die Auseinandersetzungen um die Zukunft des Weltklimas erreichten ihren Höhepunkt, als die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) in einem Brandbrief an alle Mitglieder appellierte, sich gegen die Ausstiegsrhetorik zu wehren, die durch eine «politisch motivierte Kampagne den Wohlstand aufs Spiel setzt». Gleichzeitig drängten die Klimaschützer darauf, dass Al Jaber sein Versprechen einer der ambitioniertesten Abschlusserklärungen einlösen müsse, sonst drohe ein Scheitern. So ging der Gipfel in die Verlängerung.
Bis in die frühen Morgenstunden des 13. Dezember wurde um eine Abschlusserklärung gerungen. Am Ende einigten sich die Delegierten auf den Kompromiss, dass die Formulierung «Wende weg von fossilen Brennstoffen» das klare Wort «Ausstieg» ersetzt. Doch unter «Wende» kann sich jeder sein eigenes Szenario aussuchen. Von den hochtrabenden Plänen der COP-Präsidentschaft der Emirate blieb nicht viel übrig, zu gross war die Verstrickung in die eigenen Interessenkonflikte. COP28 verlor sich in der Semantik. Leider steht hinter der Wortklauberei die Tatsache, dass die fossilen Brennstoffindustrie noch immer nicht die Realität begriffen hat, dass das Ende des fossilen Zeitalters unausweichlich ist.
*Jan Poser ist Chief Sustainable Investment Officer und Co-Founder der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Neobank Radicant.