Bei Julius Bär ist nach Bekanntwerden des 600-Millionen-Abschreibers und der Neubesetzung des CEO-Postens eine Phase relativer Ruhe eingekehrt. Doch hinter der herausgeputzten Fassade sind die Aufräumarbeiten der Benko-Trümmerteile weiterhin in vollem Gange.
Dass Julius Bär den Skandal noch nicht überwunden hat, lässt sich auch am Aktienkurs ablesen. Dieser erholt sich nur sehr langsam vom Einbruch im letzten November. Dies zeigt, dass das Vertrauen in die Bank noch nicht vollständig wiederhergestellt ist. «Julius Bär befindet sich in einer psychologisch verwundbaren Position», sagt Ray Soudah, CEO und Gründungspartner der M&A-Boutique Millenium Associates.
«Die Bank könnte ein Übernahmeziel werden, und es würde mich nicht überraschen, wenn einige Institutionen ein Angebot in Erwägung ziehen würden», sagte er gegenüber Bloomberg.
Julius Bär als Übernahmeziel? Mit einer Bewertung von 10 Milliarden Franken und dem 1,67-fachen des Buchwerts ist der Vermögensverwalter hoch bewertet und damit eigentlich gut gegen eine Übernahme geschützt. Doch Bankenkrisen haben ihr eigenes Drehbuch. Ein einmal eingetretener Vertrauensverlust lässt sich in der Regel nicht mit ein, zwei Massnahmen beheben. Zudem durchleuchtet die Finanzaufsicht die Bank wegen der Benko-Kredite. Sie will herausfinden, ob ungenügende Kontrollstrukturen Teil des Problems waren.
Finma-Untersuchungen strapazieren Kundenbeziehungen
Es ist nicht das erste Mal, dass die Finma tief in die Bank hineinschaut. Das strapaziert Kundenbeziehungen. Wegen Geldwäscheskandalen wurde die Bank vor wenigen Jahren gerügt. Im Februar 2020 verhängte die Finma ein Übernahmeverbot gegen die Bank.
Dieses Verbot wurde inzwischen aufgehoben. Um die Vermögensbasis weiter auszubauen, denken die Verantwortlichen bei Julius Bär über Firmenübernahmen nach. Dabei lässt sich die Bank strategisch von Goldman Sachs beraten. Noch im Juli 2023 erklärte der inzwischen abgesetzte CEO Philipp Rickenbacher, die verwalteten Vermögen bis 2030 auf 1000 Milliarden Franken steigern zu wollen.
Wie fest sitzt Lacher noch auf dem Präsidentenstuhl?
Die Aufbruchstimmung ist verflogen. Die Bank wirkt angeschlagen. Das hat auch damit zu tun, dass die Führungskrise noch nicht ausgestanden ist. Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher ist nach wie vor im Amt. Doch wie fest sitzt er noch im Sattel? Er hat als Mitglied des Risikoausschusses die fragwürdigen Benko-Kredite durchgewunken. Er war es auch, der sich zunächst gegen die Absetzung von Philipp Rickenbacher wehrte. Doch am Ende musste er dem Druck der Angelsachsen im Verwaltungsrat nachgeben, die ein prominentes Opfer forderten.
Lachers Hauptaufgabe ist die Suche nach einem neuen CEO. Er hat sich darauf festgelegt, dass eine externe Lösung sein muss. Nic Dreckmann hingegen, der CEO ad interim, kann sich dem Vernehmen nach durchaus vorstellen, länger im Amt zu bleiben.