Sie sind das hippe Versprechen, die Folgen des Klimawandels in den Städten abzumildern. Vertikale Gärten an Fassaden sollen zusätzliche Grünflächen schaffen, die für ein angenehmes Klima sorgen und die Biodiversität fördern. An der Löwenstrasse mitten in der Zürcher City ist nach jahrelanger Planung die erste «Living Green Wall» der Stadt entstanden.
Doch wie Recherchen zeigen, sind die Bauherrschaft und die ausführende Baufirma zerstritten. Auf der einen Seite steht die Immobiliengesellschaft Helios. Auf der anderen Seite die Baufirma Halter. Es geht um Kostenüberschreitungen und Pfusch am Bau.
Im Kern geht es um die Frage, wer die Mehrkosten von 2,3 Millionen Franken übernimmt. Ursprünglich war für den Umbau ein Festpreis von 7,5 Millionen Franken vereinbart worden. Es geht also um Kostenüberschreitungen von 30 Prozent.
Baumängel und Schadenersatzforderungen
Diese Mehrkosten entstanden vor allem durch Mängel, die behoben werden mussten. Halter macht gegenüber Helios geltend, dass die Rechnungen nicht von Halter bezahlt werden müssen. Helios wiederum ist nicht bereit, die Mehrkosten zu übernehmen, da es sich aus ihrer Sicht eben um Baumängel handelt. Da verschiedene Schäden nicht behoben wurden, hat Helios auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht.
Der Fall liegt nun beim Zürcher Handelsgericht, das im Rahmen eines sogenannten summarischen Verfahrens vorläufig entschieden hat, zugunsten von Halter ein Bauhandwerkerpfandrecht in Höhe von rund 2,3 Millionen Franken einzutragen. Halter hat nun bis zum 6. August Zeit, die definitive Eintragung des Pfandrechts zu verlangen. Kommt es zu diesem Verfahren, werden die verschiedenen Forderungen der Streitparteien auf den Tisch kommen.
Auf Anfrage teilt Halter mit, dass die Liegenschaft inzwischen übergeben worden sei. Weiter will sich die Baufirma nicht äussern: «Wir nehmen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu den Beziehungen mit unseren Bauherren», schreibt eine Mediensprecherin. Ein Vertreter von Helios lehnt eine Stellungnahme zum Bauprojekt ab.
Wasserrohre in den Büros
Probleme mit dem Bau gibt es vor allem wegen der Fassadenbegrünung. Das geht aus Begehungsprotokollen und Mängellisten hervor, die tippinpoint vorliegen. Helios hat auch ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses kommt zu dem Schluss, «dass Planung, Bau und Installation der Living Green Wall (...) grundlegende Mängel aufweisen, die nicht behoben werden können».
Es sei davon auszugehen, «dass die bestehende Anlage sowohl im Innen- als auch im Aussenbereich vollständig entfernt werden muss und je nach Wunsch des Gebäudeeigentümers durch eine geeignete und adäquate Living Green Wall ersetzt werden muss, die von einem anerkannten Spezialisten auf diesem Gebiet geplant und geliefert wird».
Im Gutachten wird unter anderem kritisiert, dass die Wasserleitungen direkt durch die Büroräume verlaufen. Diese interne Verrohrung mache es nahezu unmöglich, Mieter für die Büroetagen zu finden. Die Lage der Rohre sei nicht nur optisch äusserst unattraktiv. Die Rohre würden es unmöglich machen, Bürotrennwände einzuziehen oder Schreibtische an die Wände zu stellen.
Reicher Anwalt aus Neuseeland
«The Green Wall» ist ein Prestigeprojekt des Immobilienunternehmens Helios. Dahinter steht der Niederländer Wolf Herwegh Vonk, der als Anwalt ein Vermögen gemacht hat. Vor über zehn Jahren besass er mehrere Liegenschaften in der St. Galler Altstadt, die er später an die Swiss Life verkaufte. Heute lebt er mehrheitlich in Neuseeland. In Christchurch kaufte Vonk vor einem Jahr ein Bürogebäude – für 80 Millionen Dollar.
Bereits 2018 war das Projekt ein Thema in den Medien. Die NZZ ging damals davon aus, dass die 180 Quadratmeter große Fassade des 70er-Jahre-Baus in ein bis zwei Jahren komplett begrünt sein wird. «Wir wollen damit einen Beitrag leisten, dass Zürich grüner wird», sagte damals ein Vertreter der Immobilienfirma der Zeitung.
Doch während in anderen Städten grüne Fassaden spriessen, mussten im bürokratischen Zürich erst die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. So musste für die Fassade eine Baubewilligung eingeholt werden. Und da sich das Gebäude in der Kernzone der City befindet, waren besondere Auflagen zu erfüllen.
Hinzu kamen nun die baulichen Probleme. Eigentlich sollte das Gebäude im Januar bezugsfertig sein. Doch wie ein Augenschein vor Ort zeigt, steht das Bürogebäude an der Löwenstrasse immer noch leer. Zudem sind viele Pflanzen im Eingangsbereich bereits vertrocknet.
Stellungnahme der Halter AG vom 18.7.2024: « Der Bauherr ist mit der Bezahlung des vertraglich geschuldeten Werklohns in Verzug, es handelt sich nicht um Mehrkosten. Die Liegenschaft ist seit Januar 2024 abnahmebereit und wäre für mieterseitige Ausbauten parat, es gibt aktuell jedoch keinen Mieter. Die Fassade ist technisch und gestalterisch einwandfrei und entspricht der geschuldeten Leistung gemäss Vertrag; sie wurde zudem von einem spezialisierten Unternehmer geplant und umgesetzt. Das mutmassliche Gutachten, welches etwas anderes besagen soll, liegt uns bis heute trotz mehrfacher Nachfrage nicht vor und ist ein einseitiges Parteigutachten, welches per se keine objektive Sichtweise darstellt.»