Das Papier trägt den Titel: «Four effective ways for a board to steer its way through a crisis». Autor ist Axel P. Lehmann, der letzte Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse. Veröffentlicht wurde der Artikel im Magazin «I by IMD», das von der gleichnamigen Lausanner Kaderschmiede herausgegeben wird. Wer den Text lesen will, muss ein Jahresabonnement für 120 Franken kaufen. Über Linkedin ist er auch kostenlos zugänglich. Axel Lehmann hat den Artikel komplett auf seinem Profil freigeschaltet.
In seinem sechsseitigen Beitrag beschreibt Lehmann, wie Verwaltungsräte in Krisensituationen eingreifen können. «In schwierigen Zeiten ist es wichtig zu wissen, wann man eingreifen muss, und zu lernen, seine Emotionen zu kontrollieren, damit eine schwierige Situation nicht noch schlimmer wird», schreibt Lehmann.
Die meisten Verwaltungsräte würden irgendwann während ihrer Amtszeit mit einer Krise konfrontiert, schreibt Lehmann. «Sei es eine operative Krise wie die Umweltkatastrophe von BP Deepwater Horizon, eine regulatorische Krise wie der Abgasskandal bei Volkswagen oder eine Personalkrise wie Kalanick bei Uber oder das unberechenbare Verhalten von Elon Musk bei Tesla», so der ehemalige CS-Chef.
Lehmann weist auf die Bedeutung der «soft factors» bei der Krisenbewältigung hin. «Menschliches Verhalten, emotionaler Stress und eine herausfordernde Gruppendynamik» könnten selbst die besten Pläne zunichte machen. In einer Krise steht viel auf dem Spiel, die Emotionen kochen hoch und der Druck auf Verwaltungsrat und Management kann «überwältigend» sein.
Karriere und Reputation stünden auf dem Spiel, der Verlust von Arbeitsplätzen und möglicherweise langwierige Rechtsstreitigkeiten drohten. «Dennoch können gerade diese Momente die Einheit und Solidarität im Team stärken. Die zentrale Rolle des Verwaltungsratspräsidenten besteht darin, einen sicheren Raum für offene Herausforderungen und Dialoge zu schaffen und für die anderen Verwaltungsratsmitglieder, den CEO und die Führungskräfte erreichbar zu bleiben», schreibt Lehmann.
Kein Wort verliert er darüber, was zu tun ist, wenn alle Stricke reissen und ein Unternehmen vor den Augen von Management und Verwaltungsrat zusammenbricht, wie das bei der Credit Suisse der Fall gewesen wan. Seine Erfahrungen bei der Grossbank teilt er nicht mit dem IMD-Publikum. Aber vielleicht ist das ja für einen späteren Artikel vorgesehen.
«Executive in Residence»
Wie tippinpoint berichtete, ist Lehmann seit kurzem als sogenannter «Executive in Residence» für das IMD in Lausanne tätig. Das Programm ist pro bono. Sein Verhalten während der intensiven Krisengesprächen mit Vertretern des Bundes haben ihm den Übernamen «Brian der Finanzindustrie» eingebracht – in Anlehnung an den bekanntesten Häftling der Schweiz.