«Unsere lieben Zweitwohnungsbesitzer»
Der ehemalige Raiffeisen-Präsident Johannes Rüegg-Stürm hat mit anderen Zweitwohnungsbesitzern Einsprache gegen ein lokales Immobilienprojekt erhoben - und damit in ein Bienennest gestochen.
12. Februar 2025 • Beat Schmid

Es herrscht dicke Luft im Unterengadin. Ein Bauprojekt in Ftan wird von Zweitwohnungsbesitzern mit Einsprachen torpediert. Der «Blick» machte den Kleinkrieg der Einheimischen gegen die Unterländer letzte Woche publik. Seither haben verschiedene Medien darüber berichtet, darunter auch das Schweizer Fernsehen.

Es geht um den geplanten Bau von zwei Genossenschaftshäusern. Die Wohnungen hätten zu einem akzeptablen Preis die Wohnungsnot im Engadin zumindest etwas lindern können. Doch das passte rund zehn Ferienwohnungsbesitzern nicht. Sie und zwei Einheimische erhoben Einsprache gegen das Projekt.

Der Architekt des Projekts, Chasper Cadonau, machte seinem Ärger auf Social Media Luft. Er postete einen Beitrag in der Facebook-Gruppe Second Hand Scuol. Darin wetterte er gegen «unsere lieben Zweitwohnungsbesitzer», die eine Wohngenossenschaft «für unsere einheimischen Familien» verhindern wollten.

«Solche Leute brauchen wir hier nicht»

Sie sollten sich für diese Verhinderungsaktion schämen, meint Cadonau. Das Projekt sei von der Gemeinde genehmigt worden. «Alle Baugesetze sind eingehalten, wir haben sogar den dreifachen Abstand zu euch eingehalten», sagt der Architekt. Dann haut er in die Tasten: «Wenn es euch gar nicht passt habt ihr auch die Möglichkeit wieder ins Unterland zu ziehen. GENAU SOLCHE LEUTE BRAUCHEN WIR HIER NICHT!!!»

In einem inzwischen gelöschten Teil des Postings nennt Cadonau auch alle Einsprecher mit Namen und Wohnort. Darunter sind auch einige von der Zürcher Goldküste, aus Zumikon, Erlenbach oder Uetikon am See. Einsprecher Nummer eins kommt aus Schmerikon. Es ist Johannes Rüegg-Stürm, Professor und ehemaliger Präsident der Raiffeisen-Genossenschaftsbanken. Er besitzt eine Zweitwohnung in der Nähe des neuen Projekts und will es offenbar mit seiner Einsprache verhindern.

«Aussichtssportler»

Im Jahr 2018 kam es zum Eklat, als er im Zuge der Affäre um Pierin Vincenz per sofort als Präsident der Genossenschaftsbank zurücktrat. Rüegg-Stürm gab später auch seine Lehrtätigkeit an der HSG auf, nachdem ihm der Skandal um die von ihm abgesegneten Millionenspesen des Ex-Raiffeisen-Chefs um die Ohren geflogen war. Er habe damals seinen Rücktritt angeboten, um die Universität von «weiterer negativer Publizität» zu entlasten, hiess es damals.

Der Professor für «Organizational Behavior» ist heute als Berater tätig. Gemäss seiner Website kann man ihn als Prozessbegleiter, Mitgestalter, Moderator, Coach und Sparringspartner für komplexe Herausforderungen der Managementpraxis engagieren. Privat bezeichnet sich Rüegg-Stürm als «Aussichtssportler», der sich für Berg-, Ski- und Biketouren begeistert.

Johannes Rüegg-Stürm liess eine Anfrage zu den Beweggründen seiner Einsprache unbeantwortet.