Medial steht KI seit einigen Jahren im Fokus. Wie haben Sie diese Aufmerksamkeitsfokussierung wahrgenommen? Zu welchem Zeitpunkt war sie in der Schweiz auffällig präsent und zu welchem Zeitpunkt war es noch ein Nischenthema? Gibt es da einen Kipppunkt?
KI wird bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelt. In der breiten Öffentlichkeit ist diese aus meiner Sicht aber mit der Einführung von ChatGPT angekommen. Damit ist KI in den Alltag eingezogen und Benutzerinnen und Benutzern, die sich vorher kaum oder nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben, wenden diese seither an.
War das auch der Zeitpunkt, als sich bei den Banken ein spürbarer Wandel im Bereich KI tat?
Unterschiedlich. Die Banken über einen Leisten zu brechen, wäre nicht akkurat. Es gibt eine hohe Heterogenität in der Bankenlandschaft, und eine kleine Regionalbank lässt sich nicht mit einer multinationalen Grossbank vergleichen. Ich würde aber grosso modo sagen, dass ChatGPT auch hier die Auseinandersetzung mit KI verstärkt hat. Natürlich treibt seit Markteinführung die öffentliche Präsenz, aber Dynamiken erzeugen auch jene, welche diese neuen Tools privat nutzen und dadurch auch die Diskussion um deren Einsatz am Arbeitsplatz entstand. Manche Banken haben bereits zuvor an KI-Lösungen gearbeitet oder hatten solche bereits im Einsatz, andere sind erst seither in der Diskussion um deren Use Case. Man darf auch nicht ausser Acht lassen, dass wir es hier mit einer hoch regulierten Branche zu tun haben, deren Spielräume für solche Lösungen zwar vorhanden sind, aber klaren Spielregeln unterliegen. In der Konsequenz setzen die Finanzinstitute KI eher zur Automatisierung und Risikominderung ein, und zumindest bisher weniger für die grosse Innovation in Richtung neuer Produkte.
Risikomindernd – ist das vor allem auch ein Schweizer Ansatz oder doch ein internationaler?
Banken sind aktuell allgemein eher vorsichtig im Umgang mit solchen neuen Technologien, wobei wie immer die Ausnahmen die Regel bestätigen. Aufgrund der Ereignisse der letzten Jahrzehnte gilt das auch für das Gros der Schweizer Banken. Die Institute haben die Medienaufmerksamkeit und den nationalen wie auch internationalen Druck nicht vergessen. Aktuell ist der Wunsch nach mehr KI seitens der Kundschaft auch noch nicht so spürbar. Das könnte sich in Zukunft ändern, wenn jüngere und jüngste Generationen stärker in den Fokus, respektive die Kundenbücher kommen. Diese entwickeln einen anderen Umgang mit KI und haben bereits heute in der Regel eine höhere Technologieaffinität. Es kann also gut sein, dass von der Seite künftig Ansprüche gestellt werden, beispielsweise, dass diese ihre Investmententscheidungen nicht nur auf die Meinung von Menschen stützen wollen.
Sie sprechen von Robo-Adviseren. Diese haben sich ja bereits etabliert …
Korrekt. Gewisse Institute setzen diese ein und nutzen sie für ihren Business Case. Wer Robo-Adviser bisher nicht einsetzte, hat aber aktuell noch keinen Druck von Seiten der Kundschaft und das könnte sich aber eben durch den Druck der jüngeren Generationen ändern. Das ist natürlich nur ein Use Case von zahlreichen weiteren.
Lassen Sie von den Banken noch zu den Unternehmen wechseln. Gerade im Entrepreneur-Bereich wird viel mit dem Einsatz von KI geworben. Ist das eine Überhöhung des tatsächlichen Nutzens?
Lassen Sie mich so beginnen: Nicht überall, wo KI draufsteht ist auch KI drin. Momentan wird sehr schnell mit dem Begriff um sich geworfen. Darüber hinaus passiert im Bereich der KI gerade einiges und die Entwicklungen kommen gefühlt Schlag auf Schlag. Das wiederum triggert Medien, Veranstaltungen usw. und da wird schon das Gefühl vermittelt, dass wer heute nicht schon voll dabei ist, morgen out of Business sein wird. Keine Frage, man kommt um das Thema als Unternehmen nicht mehr vorbei, und sich damit auseinanderzusetzen und für sich zu evaluieren ist ein Muss. Aber wie immer scheint mir wichtig, nicht in Panik zu verfallen. Unternehmen sollen sich der ehrlichen Frage stellen, ob ihr Business Case heute und für morgen noch tauglich ist und welche Rolle KI hier spielt, respektive spielen kann. Dabei geht es nie um KI um der KI Willen, sondern immer darum, die passenden Use Cases im Rahmen der Strategie zu finden.
Könnte KI auch zu einer Blasenbildung beitragen? Dass der KI-Einsatz also ein Unternehmen wertvoller erscheinen lässt, als es tatsächlich ist.
Nur weil ein Unternehmen KI einsetzt, steigt es nicht automatisch im Wert. Der Einsatz von KI kann in beide Richtungen Effekte haben, denn mit dem falschen Einsatz von KI kann durchaus auch Wert vernichtet werden. In der Tech-Szene sehe ich jedoch schon Ansätze einer Blase. Da gibt es einige Start-ups mit KI-Lösungen, die gehyped werden, obwohl nicht klar ist, was wirklich dahintersteckt.
Also gleich wie bei vorigen Blasen, etwa der Dotcom-Blase. Warum wiederholen sich solche Mechanismen denn immer wieder?
Weil der Mensch oft Fehler wiederholt. Das ist etwas plakativ, aber wir sehen das ja nicht nur auf vorgenannten Bezug, sondern in ganz unterschiedlichen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens.
Was wäre Ihr Ratschlag für Unternehmen und Banken im Umgang mit KI?
Einen 7-Punkte-Plan und alles ist gut, gibt es leider nicht. Meine Empfehlung ist, informiert und wachsam zu bleiben, sich den Entwicklungen zu stellen und zu evaluieren, was diese für das eigene Unternehmen bedeuten – und dann zu agieren. Grundsätzlich ist das auch nichts Neues und gilt für alle Entwicklungen, nicht nur für KI. KI ist vielleicht für die einen oder anderen etwas schwerer greifbar und begreifbar, weshalb diese ehrliche Auseinandersetzung auf der Wunschliste nicht immer zuoberst steht.