Gestern gab es erstmals offizielle Zahlen zu den Vermögen, die sanktionierte Russinnen und Russen in der Schweiz angelegt haben. Bis jetzt seien 5,75 Milliarden Franken gesperrt worden, sagte Erwin Bollinger, Botschafter beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). «Das ist eine Momentaufnahme, das Seco erhält laufend Meldungen zu Vermögenswerten», sagte Bollinger. Gut möglich, dass also weitere Gelder hinzukommen. Möglich auch, dass noch der eine oder andere grosse Fisch an Land gezogen wird.
Die Beratungsfirma Boston Consulting gab die Schätzung ab, wonach Oligarchen weltweit rund 500 Milliarden Dollar angelegt hätten. Falls diese Zahl stimmt, liegt nur etwa ein Prozent der Oligarchen-Gelder in der Schweiz. Bisher gingen Beobachter davon aus, dass in der Schweiz viel mehr Geld liegen müsste, dass das Land ein eigentliches Mekka für russische Gelder aus dem Putin-Dunstkreis sei.
Fraglich, ob eine Taskforce mehr Geld finden würde
In der Schweiz wird nicht aktiv von den Behörden nach Russengeldern gesucht wie in anderen Ländern. Der Bund setzt auf eine Meldepflicht, was von linken und Mitte-Politikern kritisiert wird. «Die Schweiz wäre gut beraten, eine eigene Taskforce ins Leben zu rufen», sagen deshalb auch Mitte-Politiker wie Martin Landolt. «Andernfalls droht ein grosser Reputationsschaden, da alle anderen Länder aktiv nach Vermögenswerten sanktionierter Personen suchen und dann mit dem Finger auf die Schweiz zeigen könnten», sagte er im “Tages-Anzeiger”.
Es ist jedoch fraglich, dass mit einer Taskforce tatsächlich viel mehr Gelder gefunden würde. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind Schweizer Banken gebrannte Kinder. Sie können es sich nicht leisten, bei der Blockierung von Russengeldern zu schummeln. Früher oder später fliegt das auf und es drohen hohe Bussen wie etwa im Steuerstreit mit den Amerikanern oder bei Iran-Geschäften.
“Banker lachen sich ins Fäustchen”
Der eigentliche Grund dürfte sein, dass manche Russen ihre Vermögen rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben. Es war absehbar, dass sich die Schweiz den internationalen Sanktionen anschliessen würde. Die betroffenen Personen hatten also genügend Zeit, ihre Gelder auf Finanzplätze zu verschieben, wo sie nicht so schnell blockiert würden, wie etwa Dubai oder Israel. Dazu gibt es weitere exotische Offshore-Finanzplätze, die sich den Sanktionen ebenfalls nicht angeschlossen haben.
Wer sich in der Szene umhört, stellt fest, dass genau das geschehen ist. “Die Banker lachen sich ins Fäustchen”, sagt ein Kenner der Szene. “Die Gelder sind einfach von der Schweiz nach Dubai verschoben worden”, sagt er.
Pikant ist, dass Russen weiterhin Vermögen von der Schweiz ins Ausland verschieben können. Von den Sanktionen sind weltweit knapp 900 Personen betroffen. Doch von diesem Kreis dürfte nur ein Bruchteil der Gelder stammen, die aus Russland grenzüberschreitend in der Schweiz angelegt wurden.
Letzte Woche gab Marcel Rohner, der Präsident der Bankiervereinigung, die Schätzung ab, dass sich in der Schweiz Gelder mit Russland-Bezug im Umfang von 150 bis 200 Milliarden Franken befinden würden. Der Grossteil dieser Summe dürfte von Russinnen und Russen stammen, die zwar vermögend sind, aber keinen Bezug zu Putin haben.
Abzug der Gelder ins Ausland ist weiterhin möglich
Diese Personen können mit ihrem Geld weiterhin mehr oder weniger tun und lassen, was sie wollen, wie Banken bestätigen. Die UBS beispielsweise hat bekannt gegeben, dass sie für diese Gruppe keine Neugeschäfte mehr anbieten würde. Neue Konten anlegen, geht nicht. Doch einem Abzug der Vermögen aus der Schweiz steht nichts im Weg.
In russischen Kreisen wurde sehr wohl wahrgenommen, dass die Schweiz ihre Position als neutraler Staat aufgegeben und sich dem westlichen Bündnis unter der Führung der Amerikaner angeschlossen hat. Auch klar ist, dass die Schweiz weitergehende Sanktionen übernehmen dürfte, wenn diese möglicherweise schon bald verhängt werden. Wenn dann weitere Personenkreise auf die Sanktionslisten gesetzt werden – ihre Gelder werden dann längst nicht mehr in der Schweiz sein.