Aktionärsklagen
Vor bald einem Jahr verloren Tausende CS-Kleinaktionäre sehr viel Geld. Jetzt verlangen sie von der UBS Milliarden zurück. Gerichtsunterlagen zeigen, mit welchen Argumenten die Anwälte dagegenhalten.
10. März 2024 • Beat Schmid

Sie ist eine der einflussreichsten Wirtschaftskanzleien der Schweiz: Bär & Karrer mit Sitz auf dem Areal der ehemaligen Brauerei Hürlimann in Zürich. Seit vielen Jahren arbeiteten die Anwältinnen und Anwälte für die UBS. Als die Credit Suisse vor einem Jahr ihrem Ende entgegentaumelte, stand Bär & Karrer als Rechtsberaterin der UBS zur Seite.

Damals wurde das Team von Rolf Watter (66) geleitet. Ihm zur Seite standen 17 weitere Anwältinnen und Anwälte. Mit Watters Hilfe peitschte die Grossbank einen Deal durch, der sich als äusserst lukrativ erwies: Seit der Übernahme steigt der Kurs der UBS-Aktie unaufhörlich. Am Freitag kletterten die Papiere auf einen neuen Höchststand von über 27 Franken pro Aktie.

Für die ehemaligen Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse ist das nur ein schwacher Trost. Sie mussten im Rahmen der Transaktion 22,48 CS-Aktien hergeben, um ein UBS-Papier zu erhalten. Oder anders gerechnet: Die CS-Aktionäre erhielten 78 Rappen pro Aktie, was die Bank noch mit drei Milliarden Franken bewertete. Das ist weniger als die Hälfte des Börsenwerts vom Freitagabend, 17. März 2023, als die Aktie mit 1.86 Franken ins Wochenende ging. Und vor allem viel weniger als der Substanzwert der Bank, der sich auf rund 30 Milliarden Franken belief.

Gegen diese kalte Enteignung wehren sich Tausende von Aktionären der Credit Suisse. Sie haben im vergangenen Jahr ihre Klagen beim Zürcher Handelsgericht eingereicht. Seit kurzem ist die Klageantwort der UBS da. Verfasst wurde das Papier von Bär & Karrer, die die UBS ein Jahr nach dem Jahrhundertdeal vor Gericht vertritt.

Eine Bank im Niedergang

Über weite Strecken zeichnen die Anwälte das Bild einer Bank, deren Niedergang im Rückblick unausweichlich war. Am Wochenende vom 18. und 19. März sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass die CS-Gruppe ihre Zahlungsunfähigkeit nicht mehr abwenden konnte. Ohne Rettung wäre die Bank am Montag zusammengebrochen und es hätte nicht nur ein «Totalausfall für die Aktionäre, sondern auch eine globale Finanzkrise gedroht», schreibt Bär & Karrer im Auftrag der UBS.

Auf vielen Seiten rechtfertigen die Anwälte das 78-Rappen-Angebot. Die «Rettungsfusion» sei auch für die UBS ein grosses Risiko gewesen, heisst es etwa. Und es sei der Bank nie um ein «Geschenk» gegangen, wie es die Aktionärsklagen zu unterstellen versuchten.

Umgekehrt wird die UBS als grosszügig dargestellt, da jeder Preis über null angemessen gewesen wäre. Es hätte also auch ein symbolischer Franken für die CS sein können. Dass nun CS-Aktionäre das Umtauschverhältnis anfechten, sei «rechtlich haltlos». Im Detail geht das Papier darauf ein, wie Unternehmen gemäss Fusionsgesetz zu bewerten sind. Die von den Beschwerdeführern ins Feld geführte Bewertung nach der Substanzwertmethode sei nach «herrschender Auffassung grundsätzlich nicht geeignet, den Fortführungswert eines Unternehmens zu beurteilen». Es sei «realitätsfremd», eine Ausgleichszahlung auf Basis des Substanzwerts zu verlangen.

Allerdings – das räumt auch die UBS ein – ist die «Rettungsfusion» mit staatlicher Beteiligung kein alltäglicher Fall. Trotzdem beharren die Anwälte darauf, dass die CS-Aktien keinen Wert mehr gehabt hätten, weil die Bank ohnehin in Konkurs gegangen wäre. Der Wert wäre gleich null gewesen, unabhängig davon, wie hoch die Vermögenswerte in ihren Büchern gewesen wären.

Auch der letzte gezahlte Börsenkurs sei «nicht aussagekräftig». Dieser Wert könne nicht «automatisch» mit dem «wirklichen» Wert des Unternehmens gleichgesetzt werden. Hier bewegt sich die Klageerwiderung auf dünnem Eis. Was wäre mit dem Kurs passiert, wenn am Freitag durchgesickert wäre, dass der Bund die Credit Suisse mit einem umfassenden Rettungspaket von 250 Milliarden Franken stützt? Er wäre mit Sicherheit massiv in die Höhe geschnellt.

«Irrelevantes» 250-Milliarden-Rettungspaket

Doch aus Sicht der UBS ist dieses 250-Milliarden-Paket «irrelevant». Einige Kläger würden argumentieren, dass ihnen durch die Massnahmen ein höheres Umtauschverhältnis zustehe. «Dieses Argument verfängt nicht», heisst es in der Klageantwort lapidar. Bär & Karrer argumentiert, die Rettungsmassnahmen seien an das Zustandekommen der Fusion geknüpft gewesen. Deshalb könne der Wert der Rettungsmassnahmen nicht isoliert betrachtet werden – ein höchst umstrittener Punkt.

Die Kläger weisen auch auf den Kursanstieg der UBS-Aktie hin. Insgesamt ist die Börsenbewertung der UBS in den letzten zwölf Monaten um 30 Milliarden Franken gestiegen. Das entspricht ziemlich genau dem Substanzwert der Credit Suisse, den die CS-Aktionäre für sich beanspruchen. Für sie ist diese Kursentwicklung ein Beleg für einen gigantischen Vermögenstransfer von der CS zur UBS.

Hier argumentiert Bär & Karrer nicht ganz korrekt. In der Klageantwort heisst es, die UBS-Aktie habe «unauffällig reagiert» und der Markt habe die Fusion «neutral bewertet». Dies war jedoch nur in den ersten drei Monaten der Fall. Danach stiegen die Titel massiv an – und erreichten am Freitag ein neues 16-Jahres-Hoch.

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