Bald wird das Direktorium der Schweizerischen Nationalbank neu gewählt. Wer wird Präsident, wer kommt neu ins Direktorium? Favorit ist Martin Schlegel. Aber es könnte auch ganz anders kommen.
12. Juni 2024 • Beat Schmid

Im September wird Thomas Jordan nach mehr als zwölf Jahren an der Spitze der Nationalbank zurücktreten. Das Verfahren zur Neubesetzung sei fast abgeschlossen, die Gespräche mit den Kandidaten seien beendet, schrieb kürzlich die Nachrichtenagentur Reuters. Die Mitglieder des Direktoriums bekleiden einen der wichtigsten – und bestbezahlten – Posten in der Welt der Zentralbanken. Die Gesamtvergütung des SNB-Chefs beläuft sich auf 1,3 Millionen Franken. Niemand verdient mehr.

Als Favorit für den SNB-Chefposten gilt Vizepräsident Martin Schlegel. Laut einer Reuters-Umfrage erwarten 16 von 18 befragten Ökonomen, dass der 47-Jährige Präsident des SNB-Direktoriums wird. Stefan Gerlach, Chefökonom des Vermögensverwalters EFG International und ehemaliger Vize-Gouverneur der irischen Zentralbank, sagte, Schlegel gelte als Spitzenkandidat. Schlegel gilt als Zögling von Thomas Jordan und arbeitet seit 2003 bei der SNB. Er kennt nichts anderes.

Das ist zugleich seine grösste Schwäche. Der Chef der SNB ist nicht nur oberster Hüter des Frankens, Chefkalibrator der Zinsen und Verteidiger der Preisstabilität, er ist auch verantwortlich für die Finanzstabilität und damit einer der wichtigsten Aufseher über die Banken, insbesondere über die letzte verbliebene Grossbank der Schweiz, die UBS. Der Zusammenbruch der Credit Suisse hat gezeigt, wie wichtig fundiertes Bankfachwissen ist – oder hätte sein können. Die Führung der SNB wirkte während der Krise nie nahe am Geschehen. Möglicherweise wird der Bericht der PUK hier die eine oder andere Lücke bei der SNB und ihren Spitzen aufdecken.

Jemand von aussen und eine Frau

Unüberhörbar ist deshalb der Ruf nach einer Person von aussen, die über fundierte Branchenkenntnisse verfügt. «Es muss jemand sein, der nicht von der SNB kommt. Jemand, der einen anderen Erfahrungshintergrund hat und neue Ideen einbringen kann», sagt etwa Yvan Lengwiler, Wirtschaftsprofessor an der Universität Basel.

Es gibt einige, die in Frage kämen. Zum Beispiel Pictet-Seniorpartner Renaud de Planta, der seine exekutive Rolle abgegeben hat. Die Nationalbank ist inzwischen einer der grössten Asset Manager der Welt. Fachwissen über Finanzanlagen würde dem Spitzengremium bestimmt nicht schaden. Renaud de Planta würde es mitbringen. Zudem sass er bereits in der Expertenkommission des Bundes.

Neben dem Branchen-Know-how ist auch das Geschlecht ein Thema. Nach dem Abgang von Andréa Maechler zur BIZ ist das dreiköpfige Gremium wieder ganz in Männerhand, was aus heutiger Sicht überholt wirkt.

Es wäre ein Coup, wenn zum Beispiel die Basler Ökonomin Beatrice Weder di Mauro in das Gremium gewählt würde. Sie bringt als Professorin nicht nur das nötige theoretische Fundament mit, sondern verfügt auch über viel Erfahrung in der Privatwirtschaft und im Banking. Sie hat zwar nie eine exekutive Funktion ausgeübt, war aber in wichtigen Verwaltungsräten tätig, unter anderem neun Jahre im Verwaltungsrat der UBS. Zehn Jahre gehörte sie dem obersten Führungsgremium von Roche an. Heute sitzt sie im Verwaltungsrat des Genfer Asset Manager Unigestion. Sie ist international bestens vernetzt.

Sie ist eine Frau, verfügt über Fachwissen und hat praktische Erfahrung. In welcher Funktion würde sie zur SNB kommen? Wenn sie kommt, dann höchstwahrscheinlich als Präsidentin des Direktoriums. Dass jemand von aussen direkt Präsident oder Präsidentin der SNB wird, ist zwar selten, wäre aber kein Novum.

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