Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich jetzt schon sagen: 2024 wird kein ESG-Jahr. Der Backlash in den USA und die immer komplizierteren Greenwashing-Regulierungen in der EU nehmen den Fondshäusern zunehmend die Lust, neue Produkte mit ESG-Label auf den Markt zu bringen.
Die UBS hat im Jahr 2024 bis Ende Mai nur sechs neue ESG-Fonds lanciert. Im vergangenen Jahr waren es noch 16 und im Jahr davor 26, wie Zahlen des Datenanbieters Morningstar zeigen. Bei anderen Fondsanbietern ist der Rückgang zum Teil noch extremer. Blackrock hat in diesem Jahr vier neue ESG-Fonds aufgelegt, nach 36 im Vorjahr und 23 im vergangenen Jahr. DWS kommt in diesem Jahr nur noch auf drei Fonds, nach 25 im Jahr 2023. Invesco brachte 2024 bisher nur einen ESG-Fonds auf den Markt, nach 12 im Jahr 2023.
Laut einer Zusammenstellung von Bloomberg (Abo) auf Basis von Morningstar-Zahlen wurden in diesem Jahr bis Ende Mai weltweit nur knapp über 100 ESG-Fonds aufgelegt - so wenige wie seit vielen Jahren nicht mehr. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2023 wurden 566 ESG-Fonds aufgelegt. Im Vorjahr waren es noch 993 - ein Rückgang von fast 90 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Die 16 ESG-Fonds, die im Mai aufgelegt wurden, sind zudem der niedrigste Monatswert seit Anfang 2020.
ESG ist alles und nichts
Die Zahlen für ESG-Fonds – die Abkürzung steht für Environment, Social und Governance – stehen in starkem Kontrast zu den traditionellen Fonds. Im breiten Markt wurden in diesem Jahr bis Ende Mai 2576 neue Fonds aufgelegt, was rund 40 Prozent der Gesamtzahl für 2023 entspricht.
Betrachtet man das eingesammelte Vermögen, sind die Unterschiede noch deutlicher. Konventionelle Fonds haben bis Ende Mai 158 Milliarden Dollar aufgenommen. Im Gesamtjahr 2023 werden es 183 Milliarden Dollar sein. Neu aufgelegte ESG-Fonds haben 6,8 Milliarden Dollar angezogen, verglichen mit 37,2 Milliarden Dollar für 2023.
Angesichts der politischen Entwicklungen überrascht der Niedergang der ESG-Label-Fonds nicht. Als Sammelbegriff für «nachhaltige» Investments funktioniert das Kürzel schon lange nicht mehr. Auch ein Öl- und Gasfonds kann ein ESG-Label tragen, nämlich dann, wenn die Fondsmanager die Assets einem ESG-Screening unterzogen haben. Weil ESG alles und zugleich nichts ist, hat es in den letzten Jahren erheblich zum Begriffschaos beigetragen.
Die eigentliche Frage ist, was der deutliche Rückgang der ESG-gelabelten Fonds für das Thema Sustainable Finance insgesamt bedeutet. In der Schweiz spricht der Verband Swiss Sustainable Finance seit einiger Zeit von nachhaltigkeitsorientierten Anlagen. Gemäss seiner neusten Marktstudie ist das Volumen mit Nachhaltigkeitsbezug in der Schweiz zwischen 2022 und 2023 von 1'610 Milliarden Franken um 3 Prozent auf 1'660 Milliarden Franken gestiegen. Angesichts der Marktperformance von 15 Prozent, sind die Gelder leicht rückläufig. Zumindest in der Schweiz bleiben die investierten Assets mit Nachhaltigkeitsbezug stabil.