Special Week: KI im Banking
Der ESG-Spezialist Tadas Zukas von der Bank Vontobel spricht im Interview darüber, wie KI das grüne Investieren verändert. Für Banken und Anlegerinnen und Anleger.
17. Juli 2025 • Anton Beck

ESG und KI – das sind gleich zwei Akronyme, die jeweils grosse Felder abdecken. Aber wie interagieren sie in der Gegenwart und der Nahen Zukunft? Tadas Zukas beschäftigt sich in seiner Rolle als Global Lead Senior Legal Counsel Sustainability/ESG bei Vontobel mit den Neuerungen im europäischen und schweizerischen ESG-Markt. Er ist regelmässig Redner bei Fachpanels, Mitglied der Arbeitsgruppe Sustainable Finance bei der Schweizerischen Bankiervereinigung und Autor des Buches «European Sustainable Finance Regulation – in a nutshell». Für tippinpoint ordnet Zukas ein, wie KI die Betrachtung von ESG und das grüne Investieren verändert und verrät, warum kritisches Hinterfragen dabei zentral ist – gegenwärtig wie zukünftig.

Herr Zukas, was glauben Sie, wie wird sich die Nutzung von ESG-Produkten durch KI verändern? Oder anders gefragt: Lassen sich die grossen ESG-Datensätze ohnehin nur mit KI ordnen?

Ich glaube, dass KI-Tools Unternehmen helfen werden, die Sprache und die Konsistenz von nachhaltigkeitsbezogenen Aussagen besser zu steuern, besser zu kontrollieren und mit der Zeit so auch eine bessere Qualität sicherzustellen. Andererseits werden KI-Tools den Investoren und den Kunden erlauben, Aussagen und Labes zu überprüfen. Ein Unternehmen muss die relevanten Daten aber in einer guten Qualität haben, damit es diese Tools gut einsetzen und wirklich nutzen kann. Anleger wiederum brauchen für Vergleiche neben der klaren ESG-Terminologie auch standardisierte Daten. KI-Tools werden auch helfen beim Marketing, bei Verträgen, beim Corporate Reporting. Das Versprechen ist daher in diesem Bereich gross. Die Anforderungen, die Herausforderungen sind es aber auch. Im Bereich Sustainable Finance haben wir einen Standard-Spruch, den ich immer wieder gerne zitiere: «No Data – No Sustainable Finance». Gemeint ist damit, dass qualitativ hochstehende Daten absolut zentral sind für den ganzen Bereich Sustainable Finance. Und diese Herausforderung besteht auch im Bereich KI.

KI könnte also Kund:innen helfen ESG-Produkte besser zu verstehen und gegebenenfalls falsche Labels zu entdecken?

Im Idealfall sollte KI helfen, auch solche Fälle zu identifizieren. Aber die Herausforderungen bleiben die gleichen wie jetzt: Also die Fragen rund um die Herkunft, Konsistenz der Daten und auch die Beurteilung der Qualität. Das sind die Herausforderungen, die im Bereich ESG sehr komplex sind und auch noch neu. Spannenderweise sind die ersten Anwendungsfälle von KI, die ich kenne, sowohl innerhalb von Unternehmen, wie auch im Sinne einer externen Überprüfung von ESG-bezogenen Aussagen, im Bereich der Greenwashing-Prävention.

Lassen Sie mich dennoch etwas fantasieren: Wird es im Bezug auf ESG-Daten etwas geben, was für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird und in deren Investing-Alltag einzieht?

Es wird zunehmend schon auch mehr und mehr geben, das öffentlich verfügbar ist. Wir sind in der Sustainable-Finance-Entwicklung in einer Phase, wo durch CSRD, also die EU-Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, ESG-Daten von der Realwirtschaft beginnen zu fliessen und in hoher Qualität verfügbar zu sein. Und plangemäss sollten diese Daten relativ bald dann auch in den European Single Access Point (ESAP) wandern. Es wird also eine von der Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde ESMA betreute Datenbank geben und die dahintersteckende Idee ist, dass diese Daten auch für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden– und somit auch als Zugang zu ESG-Daten als Rohstoff für all die KI-Maschinen.

So etwas wie der ESAP würde ohne KI also gar keinen Sinn machen?

Einer der Kritikpunkte an dem gesamten System der modernen Sustainable Finance ist ja, dass da durch verschiedene Berichte und Offenlegungen so viele Daten generiert werden, dass niemand, also kein Mensch, sie mehr analysieren, verstehen und zuordnen kann. Es würde mich bestimmt nicht überraschen, wenn da KI-Analysen kommen, aber ob das so viel Gutes bringen wird, wie der Hype momentan vermuten lässt, ist im Moment noch zu früh zu sagen. Denn natürlich besteht auch Potenzial für Missbrauch, etwa wenn Tools nicht wirklich die Fähigkeit haben, Quellen voneinander zu unterscheiden, dessen Qualität aber auch Relevanz korrekt einzuschätzen.

Der ESAP böte im Zusammenspiel mit KI für Anleger den Vorteil, nicht mehr so abhängig zu sein von der ESG-Einschätzung der Banken – würde dafür aber wiederum selbst eine Abhängigkeit schaffen…

Das sind komplexe Themen und die führen in Richtung Investment-Advice. Dabei geht es wiederum um die Verlässlichkeit, die Qualität von den Daten, um regulatorische Risiken. Für Investoren, vor allem Retail-Investoren, muss die Awareness erzeugt werden, dass nicht alles, was als Antwort von einer KI kommt, unkritisch angenommen wird. Ich sehe erhebliche Risiken, wenn solche Tools von Endkunden einfach eingesetzt werden und basierend darauf Investment-Entscheidungen getroffen werden. Denn was ein ESG-Investment ist, was ein nachhaltiges Investment ist, was ein Impact-Investment ist, das sind Fragen, die viel Verständnis erfordern, bevor eine Einschätzung passieren sollte. Und da braucht es sehr viel kontextuelles Expertenwissen, Nuance, Präzision.

Was also ist der beste Rat für Leute, die nachhaltig investieren wollen – mit oder ohne KI?

Nachhaltiges Investieren ist herausfordernd, und man muss auch als Anleger Zeit investieren, wenn einem das Thema wirklich wichtig ist. Es ist also berechtigt, mit KI-Anwendungen vorsichtig und auch kritisch zu sein. KI kann helfen, ersetzt jedoch das eigenständige Denken, den professionellen Rat nicht und wird auch die Verantwortung für falsche Einschätzungen und Entscheide nicht übernehmen.

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