Die Schliessung der Greensill-Lieferkettenfonds im März 2021 war für die Credit Suisse ein Image-GAU, von dem sich die Bank nicht mehr erholte. Ein von der PUK für ihre Untersuchungen in Auftrag gegebenes Gutachten hatte zum Ziel, die Angemessenheit des Enforcement-Verfahrens der Finma gegen die Credit Suisse zu prüfen.
Der Expertenbericht der Rechtsanwälte Albrecht Langhart und Matthias Hirschle liefert aber auch neue, bisher unbekannte Details zu den sogenannten SCF-Fonds, welche die Credit Suisse ab 2017 verkaufte. Aus dem Bericht geht hervor, dass bereits vor der Lancierung vieles schief gelaufen ist.
So heisst es auf Seite 162 des Berichts: «Bei der Lancierung der SCF-Funds war bereits der Prozess zur Qualifikation der SCF-Funds mit Mängeln behaftet, und die neuen signifikanten Risiken der SCF-Funds wurden sorgfaltswidrig nicht erkannt. Überdies habe es Mängel in der Governance beim Gremium, welches über die Lancierung der SCF-Funds entschied («New Product Board») gegeben. Es habe kein Präsenzquorum und auch kein Beschlussquorum gegeben, und bei den Meetings, welche über die Lancierung der SCF-Funds entschieden, habe fast immer mehr als die Hälfte der Mitglieder gefehlt. Die Funktion des New Product Board war nicht sichergestellt, was einen Organisationsmangel darstellt. Auch beim «New Product»-Prozess zur Lancierung der SCF-Funds habe die Organisation als Ganzes versagt, um entsprechende Risiken zu erkennen, zu adressieren und wirksam zu begrenzen.»
Die Finma stellte zahlreiche Verletzungen von Verhaltenspflichten fest. Stichworte sind: ungenügende Selektion, Mängel bei der Delegation von Aufgaben, ungenügende Information zu «Future Receivables» in Prospekt- und Marketing-Materialien, ungenügende Information zu Versicherung in Prospekt- und Marketing-Materialien.
Kundenberater erhielten «Shadow Revenues»
Der Expertenbericht geht auch auf den Verkauf der Funds ein: «Es bestanden Interessenkonflikte und Fehlanreize im Vertrieb der SCF-Funds: Die Kundenberater hatten einen finanziellen Anreiz für den Verkauf von gruppeninternen Produkten wie die SCF-Funds. CS-Kundenberater mit sogenannten «Shadow Revenues» verkauften die SCF-Funds, während Kundenberater ohne «Schatteneinnahmen» diese SCF-Funds kaum verkauften. Damit lag nahe, dass diese Schatteneinnahmen einen Fehlanreiz setzten.»
Der Hinweis auf Fehlanreize deutet laut einem Insider darauf hin, dass die Verkaufspraktiken dazu geführt haben könnten, dass die SCF-Fonds nicht primär wegen ihrer Qualität oder Rentabilität verkauft wurden, sondern weil sie für die Berater besonders lukrativ waren.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die CS im Jahr 2012 das zuvor eigenständige Asset Management mit dem Wealth Management zusammengelegt hat. Von 2015 bis 2019 leitete Iqbal Khan den Bereich International Wealth Management, zu dem auch CS Asset Management (CASM) gehörte. Als Iqbal Khan Mitte 2019 zur UBS wechselte, waren 8,2 Milliarden Dollar in SCM-Fonds investiert. Als die Fonds im März 2021 geschlossen wurden, betrugen die Kundenvermögen 10 Milliarden Dollar. Khan ist heute Co-Chef des Wealth Managements der UBS und Leiter der Region Asien.
Wie der Expertenbericht festhält, waren die Mängel in der Governance von CSAM, die mangelhafte Risikokultur und die nur teilweise wirksamen Kontrollprozesse dem Management von CSAM, aber auch den Mitgliedern des Executive Board bereits seit 2020 bekannt. Die Finma eröffnete kurz nach dem Zusammenbruch von Greensill am 5. März 2021 ein Enforcement-Verfahren gegen die CS. Die UBS-Medienstelle hält fest, dass Iqbal Khan vom Finma-Verfahren nicht betroffen war.
Die Finma kam laut dem Expertenbericht zu folgendem vernichtendem Schluss: «Indem die Bank die neuen SCF-Funds in Zusammenarbeit mit Greensill lancierte und betrieb, ohne dass diese Tätigkeit in ein angemessenes Kontrollumfeld eingebettet gewesen wäre, verstiess die CS Group wiederholt gegen bankinterne Regularien und grundlegende Prinzipien, die auch im Aufsichtsrecht verankert sind. Der Bank war es insbesondere nicht möglich, die mit der Greensill-Geschäftsbeziehung verbundenen erheblichen Risiken angemessen zu erfassen, zu begrenzen und zu überwachen.»
SCM-Fonds im CSAM-Verwaltungsrat «nicht einmal vertieft diskutiert»
Auch der Verwaltungsrat von CSAM kommt schlecht weg. Die SCM-Fonds seien von dem Gremium im gesamten Untersuchungszeitraum «nicht einmal vertieft diskutiert» worden. «Die Passivität des Verwaltungsrats der CSAM war mit den Überwachungs- und Kontrollpflichten eines aufsichtsrechtlichen Oberleitungsorgans unvereinbar.» Auf Stufe CS Group habe es «keine klaren, ganzheitlichen Zuständigkeiten für wichtige Geschäftsbeziehungen» gegeben.
Im Verwaltungsrat der Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG sassen zur fraglichen Zeit mit Ex-Swiss-Life-Chef Bruno Pfister und dem FDP-Politiker und Unternehmer Ruedi Noser zwei prominente Köpfe. Ruedi Noser sagte kurz nach dem Greensill-Debakel, er dränge auf eine rasche und lückenlose Aufklärung und werde dabei «selbstverständlich meine Verantwortung wahrnehmen, wie ich das bei allen meinen Mandaten tue». In der Folge ordnete die Finma an, dass der Verwaltungsrat der CSAM personell angemessen zu erneuern sei. Alle Mitglieder sollten über einschlägige Fachkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Noser blieb bis zur Auflösung der Gesellschaft im Herbst 2024 im Verwaltungsrat.
Als weitere Massnahme ordnete die Finma an, dass die Bank ein sogenanntes «Verantwortlichkeitsdokument» einführt. In diesem Dokument seien die einzelnen Funktionen und deren Verantwortlichkeiten detailliert zu beschreiben. Zudem sollte daraus klar hervorgehen, welche Funktionen für welche Bereiche und Entscheide zuständig sind. Das Verantwortlichkeitsdokument galt für alle Führungskräfte bis zur Stufe «Group Executive Board» sowie zwei Hierarchiestufen darunter. Damit hat die Finma bei der CS bereits umgesetzt, was sie nun von allen anderen Instituten verlangt: ein sogenanntes Senior Manager Regime.