Es ist ein veritabler Knall: Eine Woche vor der gestrigen Generalversammlung reichten gleich vier Mitglieder des Verwaltungsrats der Impact-Boutique Blue Horizon ihren Rücktritt ein. Alle vier wurden erst vor einem Jahr ins Gremium gewählt.
Ausgetreten ist der ehemalige Migros-Topmanager Walter Huber, der die Industrie-Beteiligungen leitete. Ebenfalls weg ist Governance-Spezialistin Sonja Stirnimann, Ex-Nestlé-Manager Aldo Uva und Schellenberg-Wittmer-Anwältin und ehemalige Finma-Kaderfrau Caroline Clemetson. Ein Sprecher der Gesellschaft bestätigt die Abgänge.
Die Rücktritte dürften mit Vorgängen bei Blue Horizon zusammenhängen, die sich in den letzten Monaten zugetragen haben. Wie Tippinpoint bereits im April berichtete, kam es zum Streit zwischen dem Management und Fonds-Investoren.
Dazu muss man wissen: Blue Horizon lancierte im Jahr 2020 den Fonds Blue Horizon Venture I (BHVI). Wie Unterlagen zeigen, kam es in den letzten Monaten zu heftigen juristischen Auseinandersetzungen, die dazu führten, dass Blue Horizon zunächst als sonenannter Investment-Advisor suspendiert und per Ende Mai ganz abgesetzt wurde. Jetzt wird eine neue Gesellschaft gesucht, welche die Investments betreuen wird.
Gegen Bestimmungen des Fondsverwaltungsvertrags verstossen
Auslöser des Streits war unter anderem, dass Blue Horizon in den Augen der Investoren gegen diverse Bestimmungen des Fondverwaltungsvertrags verstossen hatte. Dieser wurde zwischen den sogenannten Limited Partners (LPs), wie Beteiligte an Private-Equity-Vehikel genannt werden, und Blue Horizon abgeschlossen. Der BHVI-Fonds zählt rund 130 LPs, die total 183 Millionen investiert haben.
Der Fonds investierte bisher in rund 22 Jungunternehmen, die der New-Food-Bewegung angehören und unter anderem Fleischersatz-Produkte auf pflanzlicher Basis entwickeln. Roger Lienhard, Gründer und Verwaltungsratspräsident von Blue Horizon, ist überzeugter Veganer. Er sagte in Interviews, dass die Menschheit die Ernährung komplett umstellen müsse, wenn die Weltbevölkerung bis 2050 auf 10 Milliarden anwächst.
Eines der wichtigsten Assets im Fonds ist hingegen kein Foodtech-Startup, sondern die Vegan-Vermarktungsplattform Livekindly, die von der kalifornischen Bloggerin und Influencerin Jodi Monell mitgegründet wurde. Der BHVI-Fonds hält 3,5 Prozent an dem Unternehmen. Blue Horizon selbst war zu Beginn bestimmende Kraft bei Livekindly, hält jetzt nach mehreren Finanzierungsrunden noch knapp 10 Prozent an der Firma.
Chaotische Zustände bei Livekindly
Nach dem Wegfall des einträglichen Fondsmandats ist die Beteiligung an Livekindly eines der wichtigsten Assets von Blue Horizon. Brisant ist nun, wie hoch Livekindly derzeit bewertet wird. Gemäss Fonds-Unterlagen wird der Unternehmenswert mit 954 Millionen Dollar ausgewiesen. Die 10-Prozent-Beteiligung kommt somit auf einen Wert von fast 100 Millionen Dollar. Allerdings ist es höchst fraglich, ob die Firma tatsächlich so viel Wert ist.
2021 sollen die Einnahmen kaum gewachsen sein. Für ein Wachstumsunternehmen ein Desaster. Livekindly schreibt höhere Verluste als Umsätze. Zudem herrscht auf Führungsebene ein grosses Chaos. Jodi Monell wurde von einem Unilever-Mann, der das Unternehmen führte, aus der Firma gedrängt. Doch auch dieser ist bereits wieder zurückgetreten. Die internen Machtkämpfe wurde zum Teil via Social Media ausgetragen.
Spektakuläre Kapitalerhöhung verärgert Investoren
Der Wegfall des Mandats, die sportliche Bewertung von Livekindly – steht Blue Horizon am Abgrund? Nicht so, wenn man die jüngsten Entwicklungen verfolgt. Im März gelang Blue-Horizon-Gründer Roger Lienhard eine spektakuläre Kapitalerhöhung. Die Firma wandelte eine Anleihe in der Höhe von 38 Millionen Franken in Eigenkapital um, wie aus dem Handelsregister hervorgeht. Die Konditionen wurden so definiert, dass die Gläubiger weniger als 10 Prozent des Aktienkapitals halten. Blue Horizon kommt somit auf eine Bewertung von gegen 600 Millionen Franken.
Etliche Anleihennehmer hatten keinen Einfluss auf die Konditionen des Wandlers und fühlen sich ungerecht behandelt, wie aus Investorenkreisen zu hören ist. Für sie ist die Bewertung von 600 Millionen Franken völlig übertrieben. Hier könnte sich die nächste juristische Front gegen Blue Horizon bilden.
Lienhard und das Management scheinen sich nicht beirren zu lassen. Seit mehreren Monaten sind sie nun schon dabei, Geld für einen nächsten Fonds zu sammeln. Dieser nennt sich Blue Horizon Growth II. Demnächst sollen Büros und Singapur und den USA entstehen. In Interviews sagte Lienhard, er wolle Blue Horizon zu einer Art Berkshire Hathaway machen.