Analyse zur Aufarbeitung des CS-Kollaps
Je länger die behördlichen Aktionen zur Bewältigung der CS-Krise im Dunkeln bleiben, beziehungsweise beschönigt werden, desto mehr nützt dies der UBS. Denn schärfere Regeln auf dem Finanzmarkt haben erfahrungsgemäss eine kurze Halbwertszeit.
21. Dezember 2023 • Balz Bruppacher

Der Blick auf die behördlichen Stellungnahmen und Berichte zum Untergang der Credit Suisse (CS) lässt auch neun Monate nach der Übernahme der CS durch die UBS viele Fragen offen. Und weckt den Eindruck, dass alle etwas zu verbergen haben und sich vor allem darum bemühen, eigene Schwächen schönzureden. «Ass covering» scheint das Gebot der Stunde zu sein. Das gilt auch für den diese Woche veröffentlichten Bericht der Finanzmarktaufsicht Finma, in dem selbstkritische Bemerkungen mit der Lupe gesucht werden müssen.

Allerdings ist die detaillierte Rechenschaft über das jahrelange Bemühen der Aufseher gegen den Schlendrian bei der Grossbank nachvollziehbar, erhielt die Finma doch rasch den «schwarzen Peter» unter den für das Funktionieren des Finanzplatzes zuständigen Behörden. Und muss sich nach dem überraschenden Abgang des Direktors auch gegen Angriffe wehren, die auf den Mann zielen. Oder besser gesagt auf die Frau an der Spitze der Behörde.

Unter Berufung auf anonyme Quellen wird der Führungsstil der vom Bundesrat soeben im Amt bestätigten Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad der Lächerlichkeit preisgegeben. Bewusst oder unbewusst wird damit die Behörde geschwächt, der bei der Aufsicht über die einzige verbleibende Grossbank die Schlüsselrolle zukommt.

«Wir haben kein Mandat eine Bank zu retten»

War die Finma seit Jahren ein beliebtes Objekt der Kritik vor allem von bürgerlichen Politikern, so erscheint das Standing der Schweizerischen Nationalbank (SNB) fast als Heiligtum. Selbstkritik ist nach dem Untergang der CS aber auch bei den Notenbankern ein Fremdwort. Man sei bei der Gewährung der Liquiditätsspritzen im Vorfeld der Übernahme an die Grenze des Mandats gegangen, sagte Präsident Thomas Jordan. «Wir haben kein Mandat, eine Bank zu retten – geschweige denn, eine Bank zu übernehmen. Wenn das jemand tun dürfte, dann nur der Bund», sagte der für die Finanzstabilität zuständige Vizepräsident Martin Schlegel dem «SonntagsBlick».

Umso überraschender kommt diese Woche ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, wonach SNB-Präsident Jordan im vergangenen Herbst eine Liquiditätsspritze von 50 Milliarden Franken und eine Verstaatlichung der angeschlagenen Credit Suisse angestrebt haben soll. Die Agentur stützt sich auf drei anonyme Quellen. «Wir kommentieren den Bericht nicht», heisst es auf Anfrage bei der Nationalbank.

Bekannt ist, dass sich SNB, Finma und Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD) seit dem Sommer 2022 intensiv mit der Krise bei der CS befassten. Wie Finanzministerin Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz vom 19. März bestätigte, wurde dabei vom Bundesrat auch erwogen, einen Rettungsschirm in Form eines Public Liquidity Backstop (PLB) aufzuspannen. Also mit jenem Instrument, das schon früher als Ergänzung zum Schutz vor Finanzkrisen geplant und bei der Übernahme durch die UBS per Notrecht eingeführt wurde. Es erlaubt der Nationalbank, Liquiditätsspritzen mit einer Bundesgarantie zu verabreichen. Eine Vorlage zur Einführung des PLB war dem Vernehmen nach für die Bundesratssitzung vom 16. November 2022 bereit, wurde aber verworfen. Laut SNB-Präsident Jordan hätte dieser Schritt für die angeschlagene CS destabilisierend statt stabilisierend gewirkt.

Auf diese sogenannte Stigma-Problematik macht die SNB auf ihrer Webseite aufmerksam. «Die Information, dass eine Bank Liquiditätshilfe von einer Zentralbank bezogen hat, kann zu einem Vertrauensverlust am Markt führen (…)», heisst es da und weiter: «Dies stellt für alle Zentralbanken eine wichtige Herausforderung dar, da sowohl die Zentralbank als auch die Bank gewissen gesetzlichen Offenlegungspflichten unterliegen.» Die Risiken einer Offenlegung von Liquiditätshilfen seien ernst zu nehmen. Es gebe keine einfachen Lösungen.

Berichte von EFD und PUK lassen auf sich warten

Die Finma wollte sich nicht dazu äussern, ob sie sich im Herbst 2022 ebenfalls gegen einen Rettungsschirm für die CS ausgesprochen hat. Sie verwies auf den für April 2024 vorgesehenen Bericht des Bundesrats und auf die Arbeiten der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Der Bericht des Bundesrats, gestützt auf die im Bankengesetz verankerte Pflicht zur jährlichen Analyse über die systemrelevanten Banken, liegt bereits vor und umfasst laut Finanzministerin Keller-Sutter 400 Seiten. Die PUK will laut ihrer Präsidentin Isabelle Chassot Ende 2024 informieren.

Dieser Zeithorizont lässt Raum für weitere Spekulationen offen und lässt der UBS Zeit, sich auf die neue Regulierungswelt nach dem Untergang der CS vorzubereiten. Konzessionen bei neuen Instrumenten für die Finma (Bussenkompetenz, Senior Manager Regime), aber Verhinderung von schärferen Eigenmittelvorschriften scheint die Strategie von Konzernchef Sergio Ermotti zu sein.

Erste Erfolge kann die UBS insofern verbuchen, als die vom EFD eingesetzte Expertengruppe «Bankenstabilität» in ihrem Bericht vom letzten September zum Schluss kam, eine Erhöhung der Eigenmittelvorschriften sei nicht nötig. Obwohl sich die Wissenschaft weitgehend einig ist, dass hohe Eigenmittel das beste Rezept gegen Bankenkrisen sind. Vielleicht wäre es ratsam, wenn die PUK schon vor Ende 2024 eine Zwischenbilanz ziehen könnte.

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