Heikle Interview-Passagen
In einem Interview mit dem SonntagsBlick stellt der 67-jährige Ire Behauptungen auf, die einer kritischen Überprüfung kaum standhalten. Wie gut ist Colm Kelleher informiert?
30. September 2024 • Beat Schmid

Der Verwaltungsratspräsident der USB, Colm Kelleher, hat dem SonntagsBlick ein bemerkenswertes Interview gegeben. Es zeichnet das Bild eines angelsächsisch geprägten Bankers, der offensichtlich mit seiner Wahlheimat hadert und nicht verstehen kann, dass es in der Schweiz Stimmen gibt, die der Fusion von UBS und Credit Suisse kritisch gegenüberstehen.

Bemerkenswert an dem Interview ist aber vor allem, dass Kelleher darin Aussagen macht, die schwer nachvollziehbar sind. Problematisch sind seine Aussagen zur Eigenkapitalsituation der Bank, zur Ermottis Lohn und zu einer Umfrage von Swissmem.

Zum Eigenkapital der UBS sagt Kelleher: «Oft geht vergessen, dass im Abwicklungsfall einer Bank viel Kapital zur Verfügung steht. Seit der letzten grossen Finanzkrise sind die effektiven Kapitalanforderungen der weltgrössten Banken um das Zehnfache und die verlustabsorbierende Kapazität sogar um das fast Zwanzigfache angestiegen. Bei uns sind das heute rund 200 Milliarden Dollar, was einer Eigenkapitalquote von mehr als 35 Prozent entspricht. Das ist unglaublich hoch. Dieses enorme Kapital steht bei einer Abwicklung zur Verfügung.»

Kelleher setzt hier - bewusst oder unbewusst - das Eigenkapital mit dem so genannten verlustabsorbierenden Gesamtkapital gleich. Das ist aber nicht dasselbe. Das Eigenkapital der UBS beträgt nicht 200 Milliarden Dollar. Deshalb ist es irreführend, von einer «Eigenkapitalquote» von 35 Prozent zu sprechen. Auf diese Quote kommt man nur, wenn man die sogenannte Eligible Total Loss Absorbing Capacity (197 Milliarden Dollar) ins Verhältnis zu den risikogewichteten Aktiven (511 Milliarden Dollar) setzt.

Wie dem Bericht für das zweite Quartal 2024 zu entnehmen ist, beläuft sich das Eigenkapital der UBS - Common Equity Tier 1 Capital (CET1) - auf 76 Milliarden Dollar. Zählt man das zusätzliche Tier-1-Kapital (Additional Tier 1 Capital) hinzu, kommt man auf 91 Milliarden Dollar (17,9 Prozent). Alles, was darüber liegt, ist Fremdkapital oder Verschuldung. Diese sogenannten TLAC-eligible Senior Unsecured Debt belaufen sich auf 105 Milliarden Dollar. Zusammen ergibt das eine Summe von 197 Milliarden Dollar. Bezogen auf die risikogewichteten Aktiva entspricht dies einer «Verlusttragfähigkeitsquote» von 38 Prozent. Von einer «Eigenkapitalquote von mehr als 35 Prozent» zu sprechen, wie es Kelleher tut, ist deshalb irreführend.

Setzt man das Eigenkapital der UBS von 76 Milliarden Dollar ins Verhältnis zur Gesamtbilanz, sieht es freilich nochmals ganz anders aus. Die Bilanz beläuft sich per Ende Juni 2024 auf 1564 Milliarden Dollar. Das ergibt eine Eigenkapitalquote von 4,9 Prozent. Im Quartalsbericht auf Seite drei zu finden unter dem Begriff: Common Equity Tier 1 Leverage Ratio.

Der Lohn von Ermotti

Auch beim Lohn von Sergio Ermotti leistet sich der UBS-Präsident einen Fauxpas. Zur Kritik an der Höhe des CEO-Salärs sagt Kelleher: «Relativ gesehen, haben wir Sergio Ermotti nur 10 Prozent mehr bezahlt als seinem Vorgänger, obwohl er eine viel schwierigere Aufgabe übernahm und diese bisher hervorragend gemeistert hat. Wäre es Sergio gegenüber fair gewesen, wenn wir ihm das Gleiche bezahlt hätten? Ich glaube nicht».

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Sergio Ermotti hat für ein Teilzeitpensum von 9 Monaten insgesamt 14,4 Millionen Franken erhalten. Hochgerechnet auf 100 Prozent beträgt Ermottis Lohn 19,2 Millionen Franken. Sein Vorgänger Ralph Hamers erhielt für das ganze Jahr 2022 eine Entschädigung von 12,6 Millionen Franken. Relativ auf 12 Monate hochgerechnet erhielt Ermotti also 52 Prozent mehr als Hamers. Effektiv wurden ihm übrigens 14,2 Prozent mehr ausbezahlt. Colm Kelleher ignoriert bei seiner Aussage, dass Ermotti 9 Monate im Amt war.

Kritik am Firmenkundengeschäft

Der dritte Punkt betrifft die Kritik am Firmenkundengeschäft. Hier macht sich Kelleher über eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Industrieverbandes Swissmem lustig. Er sagt im O-Ton: «Ich habe die Umfrage des Industrieverbands Swissmem gesehen, wonach 23 Prozent der Unternehmen eine Verschlechterung der Bedingungen meldeten. Die Mehrheit davon sind ehemalige CS-Kunden. Der Prozentsatz hört sich hoch an, aber man muss bedenken, dass dies insgesamt 53 der befragten Unternehmen betrifft. Das sind weniger als 0,03 Prozent unserer Firmenkunden in der Schweiz».

Kelleher nimmt die Umfrage offenbar nicht ernst. Das Wesen einer Umfrage ist, dass man aufgrund einer Stichprobe Aussagen über eine wesentlich grössere Menge machen kann. Das ist bei der Swissmem-Umfrage nicht anders. Was aber macht Kelleher? Er pickt die absolute Zahl der Unzufriedenen aus der Stichprobe und setzt sie ins Verhältnis zu allen rund 180'000 Firmenkunden der UBS. Das ist umso schwerer nachvollziehbar, als er die unzufriedenen Kunden gar nicht kennt. Die überwältigende Mehrheit der 180’000 Firmenkunden der UBS dürften Klein- und Kleinstunternehmen sein. Die Mitgliederstruktur von Swissmem ist aber anders. Was wäre, wenn die 53 zufriedenen Firmenkunden im SPI-Index vertreten sind?

Es ist davon auszugehen, dass das Interview UBS-intern mehrfach gegengelesen wurde. Es kann also ausgeschlossen werden, dass es Kelleher gar nicht so gemeint hat.

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