Private Banking
CEO Stefan Bollinger ist wie ein Wirbelwind gestartet, doch inzwischen ist intern Ernüchterung eingekehrt. Kundenberater klagen über fehlende Orientierung – die Privatbank vernachlässigt den Heimmarkt.
5. September 2025 • Beat Schmid

Mittlerweile sieht man den CEO von Julius Bär auch schon mal mit Krawatte. Das war bei seinem Amtsantritt vor neun Monaten anders: Offenes Hemd, Dreitagebart und vor allem – seine weissen Turnschuhe. Sein Auftritt an der ersten Townhall löste eine Mischung aus Begeisterung und schierem Entsetzen aus. Da kommt ein Goldman-Sachs-Banker aus London in diesem Aufzug in eines der Heiligtümer des Swiss Private Banking. Kann das gut gehen?

Bis heute ist es offen, ob Stefan Bollinger es schaffen wird, Julius Bär als CEO wieder auf die Erfolgsschiene zu bringen. Begonnen hat er mit einem Feuerwerk: Schon im Januar, kurz nach seinem Start, präsentierte er einen klaren Plan, den er aus London mitgebracht hatte und möglichst rasch umsetzen wollte. Es folgte ein ungestümer Beginn mit der Verkleinerung der Konzernleitung, der Separierung von Business-Regionen und zentralen Führungsfunktionen. Auch ein weiterer, unschöner Abschreiber auf dem Kreditbuch nahm er vor.

Bollinger kehrte mit dem Besen durch die Bank, strich Stellen und setzte altgediente Kundenberater mit ambitionierten Neugeldzielen unter Druck. «Mit verschränkten Armen standen die RMs da und nahmen die Vorgaben und Ideen ihres neuen Chefs gleichgültig zur Kenntnis», sagt eine von mehreren Quellen innerhalb und ausserhalb der Bank, mit denen sich tippinpoint in den letzten Wochen austauschte.

Angekommen ist er noch nicht

Seit dem Strategie-Update im Juni ist es merklich stiller geworden um Bollinger. Jetzt gehe es darum, umzusetzen, zu arbeiten und die Bank voranzubringen – «zu delivern», wie eine Quelle sagt, die die Entwicklung vorsichtig positiv einschätzt. Es sei ein holpriger Start gewesen, nun folge die Knochenarbeit, um den Vertrauensverlust nach dem Benko-Debakel aufzuholen. Inzwischen ist seine Familie von London in die Nähe von Zürich gezogen. Und Bollinger tritt heute auch mal mit Krawatte und Anzug auf. Nur von den Turnschuhen will er sich offenbar nicht trennen.

Doch angekommen ist er noch nicht. So zumindest lautet die Einschätzung an der Kundenberater-Front. Dort heisst es, die Aufbruchstimmung, die zu Beginn geherrscht habe, sei weitgehend verflogen. Der neue Chef habe die Bank zwar klar auf Neugeld-Akquise ausgerichtet. Doch wie die Kundenberater vorgehen sollen, um die Ziele zu erreichen, mit welchen Argumenten sie neue Kunden gewinnen können – dazu gebe es kaum Hilfestellungen von oben.

Ein Berater sagt: «Wir wissen nicht, was wir verkaufen, welche Lösungen wir unseren Kunden anbieten sollen. Es gibt keine klaren Vorgaben von oben. Der sogenannte USP der Bank – ein grosses Fragezeichen. Es ist von holistischer Beratung die Rede, von Wealth Planning und Best-in-Class-Produkten. Aber damit kann man sich nicht unterscheiden. Das machen alle.»

Die Musik spielt anderswo

Derweil spielt die Musik auf dem Platz Zürich anderswo. Namentlich werden in Gesprächen meist zwei Namen genannt: EFG International und J. Safra Sarasin. Diese seien «hyperaggressiv» unterwegs, sagt ein ranghoher Privatebanker der Konkurrenz. «Früher sind wir in Pitches regelmässig auf Julius Bär gestossen, heute ist das nicht mehr der Fall», sagt er. «Bär vernachlässigt den Heimmarkt, das wäre früher undenkbar gewesen.»

Auch organisatorisch spielt die Schweiz in den Plänen von Stefan Bollinger und Chairman Noel Quinn keine wichtige Rolle mehr. Patrick Prinz, der seit einem Jahr für den Schweizer Markt zuständig ist, sitzt nicht im sogenannten Global Wealth Management Committee, das Bollinger eingeführt hat. Prinz rapportiert an den Chef Western Markets & Switzerland, einen Spanier – und dieser erst an den CEO. Angesichts der Bedeutung des Schweizer Wealth-Markts mit seinem immer noch grossen Offshore-Anteil ist das nicht nachvollziehbar.

Die Schweiz so stiefmütterlich zu behandeln, ist nicht nur angesichts der Bedeutung des Wealth-Markts ein Fehler. «Eine Bank muss im Heimmarkt stark sein», sagt ein Beobachter. Das sei ein wichtiges Signal, gerade auch im Ausland. Wie gut eine Bank im Heimmarkt positioniert ist, gilt als entscheidender Indikator für den Zustand des Instituts insgesamt. Das gilt nicht nur im Banking, sondern auch in anderen Branchen. Potenzielle Kunden wollen wissen, wie sich ein Unternehmen zuhause schlägt. Gibt es dort Probleme, dann stimmt meist auch anderswo etwas nicht.

Bollinger und Quinn mögen zwar in London und vielleicht auch in Asien gut vernetzt sein, doch damit ist im Heimmarkt nichts gewonnen. Wie weit Julius Bär von der Schweiz entfernt agiert, zeigt sich auch im Verwaltungsrat. Nur gerade Jürg Hunziker hat einen Schweizer Hintergrund im achtköpfigen Gremium. Die Hälfte der Mitglieder sind Angelsachsen. Stefan Bollinger steht seit neun Monaten an der Spitze der wichtigsten Schweizer Privatbank, die in die Rolle des CEO ist er noch nicht hineingewachsen. Er muss aufpassen, den Kontakt zur Basis in der Schweiz nicht verlieren, sagt ein Berater. «Mit uns spricht er kaum. Lieber tauscht er sich mit den Big Guys aus.»

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