Interview
Victoria Leggett, Head of Impact Investing bei der Privatbank Union Bancaire Privée, sagt im Interview, die Wirtschaft sei vollständig von der Natur abhängig. Deshalb gehe es beim Thema Biodiversität auch um wirtschaftliche Fragen, nicht nur um Umweltschutz.
16. März 2023 • Beat Schmid

Frau Leggett, das globale Rahmenwerk zur Biodiversität verlangt, dass bis 2030 weltweit insgesamt 30 Prozent der Flächen für die Sicherung der Artenvielfalt gesichert werden. Ist diese Vorgabe realistisch?

Sie ist ehrgeizig, aber das muss sie sein. Die Wirtschaft ist nämlich vollständig von der Natur abhängig. Lebensmittel, Kleidung und Medikamente werden aus natürlichen Bestandteilen hergestellt. Es geht hier um wirtschaftliche Fragen, nicht nur um den Umweltschutz.

Wie viel wird das kosten und wie lässt sich das finanzieren?

Wenn wir die Ziele der Agenda 2023 erreichen wollen, dann müssen wir jährlich schätzungsweise 850 Milliarden US-Dollar investieren. Die Mehrzahl davon muss über die Umlenkung von umweltschädigenden Subventionen in umweltfreundlichere Tätigkeiten erfolgen. Parallel dazu müssen wir mehr in die Förderung der Biodiversität investieren.

Noch allerdings scheinen Fragen zum Klimawandel und zur CO₂-Reduktion klar die Agenda zu dominieren. Warum ist das so?

Die Messung von CO₂-Emissionen ist einfacher zu handhaben und daher ein guter Ausgangspunkt. Gleichzeitig wird uns aber allmählich bewusst, dass wir das Netto-Null-Ziel nur erreichen können, wenn wir den Schutz von Kohlenstoffsenken erhöhen. Ein verstärkter Fokus auf die Biodiversität dürfte somit die Umsetzung von Umweltschutzplänen erleichtern.

Wie stark beschäftigen Sie sich in Ihrer Rolle als Head of Impact Investing mit Fragen zur Biodiversität?

Die Biodiversität ist ein zentrales Anliegen der UBP. Dazu hat sie sowohl für die Bank im Allgemeinen als auch für die Palette der Impact-Anlagefonds spezifische Richtlinien erlassen. Unser Impact-Team unterstützt zudem viele Initiativen zu naturbezogenen Risiken und Chancen. Da ich als Co-Managerin unseres intern entwickelten Biodiversität-Anlagefonds tätig bin, ist Biodiversität ein wichtiger Teil meiner Arbeit.

Welche konkreten Ansätze gibt es für Anlegerinnen und Anleger, in die Biodiversität zu investieren?

Ähnlich wie bei breiter gefassten Impact-Anlagen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, dieses Thema über verschiedene Anlageklassen hinweg zu erschliessen. Diese reichen beispielsweise von Private Equity und projektbasierten Finanzierungen bis hin zu Aktienfonds, die in börsenkotierte Unternehmen investieren. Natürlich kann man auch direkt in die Sanierung von Landflächen oder den Artenschutz investieren. Das Schöne am Thema Biodiversität ist, dass sie auf lokaler Ebene stattfindet. Jeder und jede kann sich daran beteiligen und etwas bewirken, sogar im eigenen Garten. Die Reduktion des CO₂-Ausstosses ist eine globale Angelegenheit und erfordert globale Lösungen.

In Zusammenhang mit der Messung und Regulierung von Umweltdaten wird oft von einem grossen bürokratischen Aufwand gesprochen, der viel kostet. Wie wird das bei der Messung der Biodiversität? Entsteht gerade ein neues bürokratisches Monster? Wie beurteilen Sie das?

Typischerweise sind es gerade jene Sektoren, die nicht von einer Reduktion der CO₂-Emissionen profitieren, die Umweltschutzregulierungen so einstufen. Fest steht, dass Regulierungen wichtige Veränderungen im Umweltschutz anstossen. Seit dem Abkommen von Paris und den späteren Offenlegungsbestimmungen wie zum Beispiel die Initiative zur Berichterstattung von klimabezogenen Risiken der Task Force on Climate-related Financial Disclosures ist die Zahl der Unternehmen, die ihre CO₂-Emissionen offenlegen und Zielvorgaben für deren Reduktion festlegen, signifikant gestiegen. Wir erwarten die gleiche Entwicklung für die Biodiversität, weil echter Wandel nur zustande kommt, wenn Transparenz herrscht. Die nötigen Impulse dafür liefern eine Regulierung von oben und das Verhalten der Konsumenten, also eine Kombination aus Top-down- und Bottom-up-Ansatz.

Was entgegnen Sie Kritikern, die das globale Biodiversität-Rahmenwerk als neues Druckmittel der grünen Lobby sehen?

Es geht hier nicht um die Umwelt, sondern um die Wirtschaft. Die Wirtschaft ist voll und ganz auf die Natur angewiesen, nicht umgekehrt. Unternehmen, die sich mit den Risiken und Möglichkeiten in den Bereichen Naturschutz und Klimastabilität befassen, werden langfristig besser aufgestellt sein und interessantere Anlagechancen bieten. Das globale Rahmenwerk für die Biodiversität ist eine längst fällige Strukturierung und legt Massnahmen fest, damit private Kapitalgeber die Risiken abwägen und Unternehmen mit naturfördernden Geschäftsmodellen aufgebaut werden können.


Victoria Leggett ist Head of Impact Investing bei Union Bancaire Privée (UBP)