Ganz so hart wie UBS-Chef Sergio Ermotti sagt es Roman Studer, der neue Geschäftsführer der Bankiervereinigung, nicht. Zum Zusammenbruch der Credit Suisse sagt er: «Das System hat grösstenteils funktioniert. Aber die Behörden haben die Optionen Sanierung oder Abwicklung nach dem Too-big-to-fail-Regime nicht angewendet. Wir werden also nie wissen, ob dieser Teil auch funktioniert hätte.»
Man habe eben eine andere Lösung gewählt, so Studer in einem Interview mit der NZZ (Abo), «weil man hoffte, schneller Stabilität zu erreichen – und das hat funktioniert. Laut Expertenbericht des Bundes hätte aber auch eine Sanierung funktionieren können».
Sergio Ermotti ging kürzlich noch einen Schritt weiter. Die Geschäftszahlen der Credit Suisse würden zeigen, dass das Abwicklungsregime funktioniert habe. Dies sagte er letzte Woche bei einem Auftritt vor der Zuger Handelskammer.
März-Dynamik wird ausgeblendet
Allerdings ignorieren der ehemalige UBS-Mann Studer und Ermotti die Dynamik im März, als das Weltfinanzsystem ins Wanken geriet, als in den USA innert kurzer Zeit mehrere Banken zusammenbrachen und die Credit Suisse mit in den Abgrund rissen. Am 19. März bezeichnete Finanzministerin Karin Keller-Sutter eine Sanierung als «inakzeptabel». Es sei allen klar gewesen, dass diese Option «gröbste internationale Verwerfungen» auf den Finanzmärkten ausgelöst hätte.
Da klingt es fast frivol, wenn Bankierchef Studer über diese Zeit sagt: «Es war ein Augenblick mit sehr wenig Zeit und sehr grossem Druck, als viele Leute sehr viel noch nicht wussten. Wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, hat man die bestmöglichen Antworten».
Schweizer Banken haben ihre Position klar abgesteckt: Da das Too-big-to-fail-Regime im Prinzip funktioniert habe, brauche es keine Verschärfung der Regulierung. Denn wenn es bei der CS geklappt hat, dann würde es auch bei der UBS klappen.
Anpassungen reichen
Was es brauche, seien «Anpassungen» bei der Liquidität oder beim «Aufsichtsregime». Die Nationalbank müsse ein breiteres Instrumentarium erhalten, um die Banken im Notfall mit Liquidität zu versorgen. Kreativ ist seine Idee, die Kreditlinien anders zu benennen als «Notfallliquidität». Die Begründung: «Wenn eine Bank Liquidität von der Nationalbank bezieht, soll es nicht so aussehen, als stünde sie kurz vor dem Untergang. Dies kann eine schwierige Situation noch verschlimmern».
Wenig überraschend hält Studer nichts von höheren Eigenkapitalpolstern für Banken. Das Kapital sei bei der Credit Suisse «nicht das Problem» gewesen, sagte er. Zudem müsse die UBS allein wegen ihrer Grösse ohnehin rund 15 Prozent mehr hartes Eigenkapital halten als bisher. Auch diese Zahl hatte Ermotti bereits genannt. Die 15 Prozent sind ein Klacks im Vergleich zu den 30 Prozent Eigenkapital, die teilweise von Wissenschaftlern gefordert werden und eine Verdreifachung des Eigenkapitals bedeuten würden.
Eher dünn sind Studers Vorstellungen, wie die Aufsicht verbessert werden soll. Das bisherige Aufsichtsregime sei zu stark auf Kapital- und Liquiditätskennzahlen fokussiert. Man müsse auch Marktindikatoren berücksichtigen, die einen Hinweis darauf geben, «ob es irgendwo brennt». Er verweist auf das Verhältnis von Buch- zu Marktwert und auf die extrem hohen Prämien für Ausfallversicherungen.
Der neue CEO der Bankiervereinigung empfiehlt dem Bundesrat, der G7-Task Force zur Umsetzung der Sanktionen gegen russische Eliten beizutreten. «Aus Sicht der Bankiervereinigung sehe ich wenig Gründe, die gegen einen Beitritt sprechen», sagt Roman Studer im NZZ-Interview.
Der Dachverband der Bankenbranche habe sich in den vergangenen Monaten in direkten Gesprächen mit den involvierten Parteien immer wieder entsprechend geäussert. Die Botschafter der wichtigsten Industriestaaten der G-7 hatten die Schweiz diesen Frühling eingeladen, der Task Force «Russian Elites, Proxies and Oligarchs» beizutreten. Der Bundesrat lehnte dies ab und verwies auf die bestehende und gut funktionierende Zusammenarbeit mit den betroffenen Staaten.