Im Vergleich zu anderen Aufsichtsbehörden ist die Finma ein Zwerg. Doch die Finanzierung des Ausbaus ist heikel, denn dafür muss allein die Privatwirtschaft aufkommen. Daran gibt es nun Kritik.
19. April 2024 • Beat Schmid

Die Finma wächst wie ein Kuchenteig. Zählte sie vor der Finanzkrise - damals hiess sie noch EBK - 160 Mitarbeitende, sind es heute bereits 580. Seit letzter Woche ist klar, die Finanzmarktaufsicht wird weiter an Umfang zulegen. Das ist die Erwartung des Bundesrats, wie er im letzte Woche vorgestellten Stabilitätsbericht klarmacht.

Schaut man ins Ausland, steht die Finma vor einem regelrechten Wachstumsschub. Zum Vergleich: Die britischen Schwesterorganisationen Financial Conduct Authority und Prudential Regulation Authority beschäftigen 6000 Mitarbeitende. Sie beaufsichtigen einen Finanzplatz mit insgesamt 320’000 Beschäftigten. In der Schweiz arbeiten rund 160’000 Personen in den von der Finma regulierten Bereichen Banken, Vermögensverwaltung und Versicherungen.

In Grossbritannien kommt auf 53 Beschäftigte im Finanzsektor eine Person in der Aufsichtsbehörde. In der Schweiz beträgt das Verhältnis 275 zu 1. Würde die Schweiz ein ähnliches Verhältnis wie Grossbritannien anstreben, müsste die Finma ihren Personalbestand also auf 3000 Personen erhöhen.

2400 neue Stellen?

Von 580 auf 3000 Personen – das wären über 2400 neue Stellen. Eine gross angelegte Rekrutierungskampagne hat bisher noch nicht stattgefunden. Derzeit sind gemäss Jobportal der Behörde gerade einmal 12 Stellen ausgeschrieben. Wie klein die Schweizer Finma ist, zeigt auch der Vergleich mit Luxemburg. Dort werden 24’000 Beschäftigten des Finanzplatzes von 1000 Personen überwacht. Das Verhältnis liegt bei 24 zu 1.

Klar, man muss unterscheiden: Die Schweiz kann sich auch deshalb weniger Personal leisten, weil oft private Unternehmen im Auftrag der Finma Abklärungen durchführen. Das entlastet die Zentrale in Bern. Die Auslagerung an Private muss nicht per se schlecht sein, sie ist aber eine Spezialität des Schweizer Systems.

Eine weitere Spezialität des Schweizer Systems ist, dass die Beaufsichtigten für die Kosten der Aufsicht aufkommen müssen. Konkret überwiesen die Finanzunternehmen im Jahr 2023 der Finma «Aufsichtsabgaben» in der Höhe von 133 Millionen Franken. Hinzu kommen «Gebühren» von 21 Millionen, die ebenfalls von den Beaufsichtigten aufgebracht werden. Mit diesen insgesamt über 150 Millionen Franken deckt die Finma ihre Kosten vollumfänglich. Letztes Jahr erzielte sie sogar einen Gewinn von 14 Millionen Franken.

Heikle Finanzierung über Gebühren

Um personell wachsen zu können, wird die Finma ihre Gebühren und Abgaben erhöhen müssen. Dass sich die Behörde den neuen Gegebenheiten anpassen muss, ist klar, da sie aus ihrer Sicht schärfere Instrumente braucht. Dass Anpassungsbedarf besteht, geht auch aus dem letzte Woche veröffentlichten Bericht des Bundesrates hervor.

Die «angemessene Ressourcenausstattung» der Finma ist eine von 22 Massnahmen, die der Bundesrat vorgestellt hat. Es ist übrigens die einzige Massnahme, die die Finma in eigener Regie umsetzen kann. Für alle anderen braucht es entweder eine Verordnung oder ein neues Gesetz. Es ist die «Erwartung des Bundesrates», dass die Finma die Anpassung der Ressourcen im Rahmen der «bisherigen Finanzierungsstruktur» und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der PUK vornimmt, heisst es im Bericht.

Monika Roth: «Finanzmarktaufsicht ist eine staatliche Aufgabe, die der Staat finanzieren muss»

Die Finanzierungspraxis durch Private ist bei Experten hochumstritten. Die Basler Governance-Expertin kritisiert die Finanzierungspraxis der Finma. Sie zieht dabei einen Vergleich mit den Staatsanwaltschaften. Auch diese würden Gebühren verrechnen, «aber das heisst nicht, dass sie nur dann Stellen bekommen, wenn sie über Untersuchungen, die zu einer Verurteilung und damit zu einer Kostenauflage führen, Geld 'verdienen'», sagt sie zu tippinpoint. Laut Roth ist die Finanzmarktaufsicht eine staatliche Aufgabe, die auch vom Staat getragen werden muss. Wenn Gebühren dazu beitragen, dass der Steuerzahler nicht alles zahlen muss, sei das ein willkommener Nebeneffekt.

Es ist ausserdem naiv zu glauben, dass eine grössere Behörde eine nächste Bankenkrise verhindern könnte. So sieht es der Zürcher Bankenprofessor Marc Chesney. Er sagte kürzlich in einem Interview mit dem Beobachter: «Die Finma hat schon heute die Kompetenz, einer Bank die Lizenz zu entziehen oder den Leiter des Verwaltungsrats auszutauschen. Das hat sie im Fall der CS aber nicht gemacht, obwohl die Zeichen lange auf Rot standen. Was fehlt, ist ein politischer Wille, heikle Themen oder Geschäfte zu untersuchen. Bezüglich der mächtigen UBS wird diese Hemmung noch grösser sein.»

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