In Abschiedsinterviews betont der scheidende SNB-Präsident seine Erfolge im Kampf gegen die Inflation. Dass er sich nicht energischer für die CS eingesetzt habe, hält er für ein «Missverständnis».
29. Juli 2024 • Beat Schmid

Das Notenbankgeschäft sei nicht langweilig, auch wenn die Bereitschaft, dieses Etikett zu tragen, vielleicht der Schlüssel zum Erfolg sei, sagte Thomas Jordan, der scheidende Präsident der Schweizerischen Nationalbank, in Interviews mit dem Bieler Tagblatt und dem Corriere del Ticino. Der 61-Jährige tritt Ende September nach 12 Jahren an der Spitze der Nationalbank zurück.

Thomas Jordan war wegen seiner als starr empfundenen Geldpolitik und wegen seines beharrlichen Festhaltens am Mantra der Preisstabilität unter Beschuss geraten. Zuletzt wurde er vor allem im Zusammenhang mit dem Niedergang der Credit Suisse heftig kritisiert. Er habe schlicht zu wenig getan, um der angeschlagenen Grossbank zu helfen.

Auf die Frage, warum er die CS im Frühjahr 2023 nicht mit «whatever it takes» unterstützt habe, antwortete Jordan: «Ich halte das für ein grosses Missverständnis. Eine Zentralbank kann im Alleingang keine Bank retten. Die Nationalbank kann einer Bank in Not Liquidität zur Verfügung stellen, aber sie braucht dafür immer Sicherheiten, so will es das Gesetz. Ich glaube, die Bevölkerung, die Steuerzahler hätten es nicht goutiert, wenn die SNB weit über ihre gesetzlichen Kompetenzen hinaus Massnahmen ergriffen hätte. Vor allem, wenn es nicht gut ausgegangen wäre.

Jordans grosser Tolggen

Jordan verschweigt aber geflissentlich, dass es nie darum ging, die CS «im Alleingang» zu retten. Die SNB ist Teil der so genannten Dreifaltigkeit von Finanzministerium, Finanzmarktaufsicht und SNB. Es wäre an Jordan gewesen, als erfahrenster Kopf dieser Gruppe eine Führungsrolle bei der Rettung der CS zu übernehmen. Doch dazu war er nicht bereit oder nicht in der Lage. Dass unter seiner Präsidentschaft eine Grossbank zusammenbrach, ist der grosse Tolggen im Reinheft des Bieler Professors.

Die Pleite der CS überschattet seine Leistungen als Geldpolitiker, die er im Interview besonders hervorhebt. «Im Grossen und Ganzen haben wir in den wesentlichen Dingen vernünftig entschieden», sagt er. «Es gibt immer eine gewisse Unsicherheit, wir wissen nie 100-prozentig, wie es um die Wirtschaft steht. Wir können auch nicht bis ins letzte Detail die Auswirkungen unserer Entscheidungen abschätzen, sondern müssen beobachten, wie sich die Lage entwickelt. Aber die wesentlichen Dinge haben wir richtig gemacht. Gerade wenn wir uns mit unserem europäischen Umfeld vergleichen, ist die Schweiz sehr gut durch diese schwierigen Jahre gekommen.

«Was wir machen, ist nicht langweilig», sagte der bestbezahlte Notenbanker der Welt im Interview mit der Zeitung seiner Heimatstadt Biel. «Ich glaube aber, dass die Personen, die für die Nationalbank verantwortlich sind, sich auf ihre Aufgabe konzentrieren sollten. Sie müssen ihr Mandat erfüllen und sich nicht mit anderen Aktivitäten bemerkbar machen.» Sturheit sieht Jordan als Qualität: «Es ist besser, wenn man mich langweilig oder stur nennt, als wenn man sagt, ich mache eine falsche Geldpolitik.»

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