Expansionspläne
Der UBS-Chef wolle nicht nur «Bern’s Firefigther» sein. In einem Interview macht Sergio Ermotti überraschende Aussagen zu seinem «Vermächtnis» – und noch überraschendere zum Ausbau des US-Geschäfts.
20. Oktober 2023 • Beat Schmid

Der UBS-Chef wolle nicht nur «Bern’s Firefigther» sein. In einem Interview macht er überraschende Aussagen zu seinem «Vermächtnis» und noch überraschendere zum Ausbau des US-Geschäfts.

Es sei «surreal» gewesen, weniger als drei Jahre nach seinem Weggang zurückzukehren, sagte Ermotti in einem Interview mit dem Magazin «Businessweek», (Abo) die zum Datenkonzern Bloomberg gehört. Aber «nach 48 Stunden war es fast so, als wäre ich nie weg gewesen».

In dem Gespräch geht es weniger um die tagesaktuelle Mühsal der Integration. Sein Blick geht weit über die Übernahme der Credit Suisse hinaus. «Ich sehe meine Aufgabe nicht nur darin, die Bank zu integrieren», sagt er. «Das eigentliche Vermächtnis (sic!) besteht auch darin, die Bank auf das nächste Kapitel vorzubereiten.»

Die «Businessweek»-Autoren sind sich sicher: Wenn Ermotti alles richtig mache, könne er die Credit Suisse «nutzen», um die UBS über seine eigene Amtszeit hinaus als «unangefochtenen Führer im globalen Geschäft mit den Superreichen» zu etablieren. Kern dieser Strategie sei es, «die schlagkräftigere, auf die USA ausgerichtete Investmentbank der Credit Suisse zu nutzen, um amerikanische Kunden besser zu bedienen und den Wall-Street-Giganten auf deren eigenem Terrain Konkurrenz zu machen».

Wie das amerikanische Medium richtig feststellt, ist die UBS an der Wall Street ein «relativer Zwerg». Nur eine von vielen europäischen Banken, die versucht haben, an der Wall Street im Handels- und Wertpapiergeschäft Fuss zu fassen – aber letztlich scheiterten. Deutsche Bank oder HSBC haben ihre Aktivitäten in den letzten Jahren zurückgefahren. Und es war Ermotti selbst, der ab 2012 die einst grosse UBS-Investmentbank zurechtgestutzt und das Geschäft mit festverzinslichen Papieren zusammengestrichen hat.

Nun wolle die UBS «einen zweiten Versuch in den USA wagen». Das Problem für die Schweizer Grossbank ist, dass sie in den USA zwar viel Geld verwaltet – 1,7 Billionen Dollar –, was aber im Vergleich zu lokalen Banken wie Morgan Stanley wenig ist. Die US-Grossbanken hätten «viel grössere Kundenbasis und grössere Investmentbanken, die für sie innovative Finanzprodukte entwickeln», schreibt «Businessweek».

Kein Wunder also, dass die Bewertung der UBS hinter der der Wall-Street-Titanen herhinkt. Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher hat die Schliessung der Bewertungslücke zu den US-Grossbanken bereits vor über einem Jahr zum obersten persönlichen Ziel seiner Amtszeit erklärt. Ermotti scheint bereit, alles zu tun, um dieses Ziel zu erreichen.

Er zitiert dabei gerne Statistiken, wonach es in den USA über 36’000 Personen mit einem liquiden Nettovermögen von über 100 Millionen Dollar gebe – dreimal so viele wie noch vor vier Jahren. Seine Aufgabe sei es nun, den Anteil der von UBS betreuten Vermögenden zu erhöhen und ihnen mehr Möglichkeiten zu bieten, ihr Geld zu vermehren.

CS-Investment soll zentrale Rolle spielen

Wie will er das schaffen? Indem Ermotti auf die Dienste der Investmentbank der Credit Suisse zurückgreift. Die Idee: Die CS-IB könnte amerikanischen Unternehmern zunächst mit Bankdienstleistungen wie Beratung bei Börsengängen und Firmenübernahmen zur Seite stehen und sie dann, wenn sie reich geworden sind, ins Wealth Management holen.

Dass dieses Vorhaben nicht frei von Ironie ist, haben auch die Autoren des «Businessweek»-Artikels bemerkt: Ermotti setzt bei seiner Strategie ausgerechnet auf jenen Teil der Credit Suisse, der weithin als besonders toxisch gilt. Die Investmentbank der CS ist eng mit dem epochalen Niedergang der Grossbank verbunden. Die «Entschärfung» der Risiken der IB sei deshalb eine der Hauptaufgaben Ermottis bei der Integration, heisst es.

Trotzdem soll das Investmentbanking auch in der neuen UBS eine wichtige Rolle spielen. Laut Ermotti soll sich die Einheit auf Branchen wie Technologie und Gesundheit sowie auf Private-Equity-Firmen konzentrieren. Diese Bereiche hätten die besten Aussichten, Millionäre hervorzubringen, die später zu Kunden des Wealth Managements werden könnten. Der CEO ist zuversichtlich, dass er über die «kritische Masse» an Bankern verfügt, die er für diese Aufgabe braucht, und dass er neue Talente von Konkurrenten in einer Weise anziehen kann, wie es der relativ kleinen UBS-Investmentbank bisher nicht möglich war.

«Man muss mehr anbieten, mehr Vermögen auf die Plattform bringen und den gleichen Kunden mehr Produkte anbieten», sagt der Tessiner Banker, der früher einmal bei Merrill Lynch an der Wall Street gearbeitet hat. «Die Verringerung der Lücke in den USA zusätzlich zu dem, was wir ausserhalb der USA haben, stärkt unsere einzigartige Stellung als einziger wirklich globaler Wealth Manager. Das kann sonst niemand von sich behaupten», sagt Ermotti im Interview.

Dreijahresplan im Februar 2024

In dem Gespräch nimmt er vorweg, was die Bank im Februar 2024 ankündigen wird. Dann will die Bank einen Dreijahresplan vorstellen, der die Expansion auf dem US-Markt in den Mittelpunkt stellt. Ermotti sieht den Ruf nach seiner Rückkehr zur UBS als Bestätigung seiner ersten Amtszeit. Die Vorstellung, dass die UBS stark genug sei, ihren größten Konkurrenten zu schlucken, zeigt, wie weit die Bank gekommen ist, seit sie sich 2008 als Bittsteller an die Schweizer Regierung wenden musste.

Ermotti will aber nicht nur «Bern’s Firefigther» sein, wie Bloomberg schreibt. Er will auch eine «Legacy» hinterlassen, wie es im Englischen so schön heisst. «In zwei, drei Jahren ist die Integration abgeschlossen und die Uhr wird wieder auf null gestellt», sagt er. «Dann müssen wir uns nach neuen Chancen umsehen.»

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