Finanzplatz-Regulierung
Die Finanzbranche kann weiterhin hoffen, mit ihren Selbstregulierungen durchzukommen. Dazu müssten diese allerdings deutlich verschärft werden. Umweltschutz-Organisationen pochen auf staatliche Regeln.
25. Oktober 2023 • Beat Schmid

Die Mitteilung des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) ist knapp gehalten. Um Greenwashing zu bekämpfen, habe das Departement beschlossen, «eine Vorlage für eine prinzipienbasierte staatliche Regulierung auf Verordnungsstufe auszuarbeiten». Finanzministerin Karin Keller-Sutter wird dem Gesamtbundesrat bis spätestens Ende August 2024 eine Vernehmlassungsvorlage unterbreiten.

Damit ist eingetreten, was die Finanzbranche befürchtet hatte und worüber Tippinpoint letzte Woche berichtete. Der Bund erachtet die Bemühungen der Branche zur Verhinderung von Greenwashing als ungenügend. Diese hatte in den letzten Monaten viel Energie in die Ausarbeitung und Umsetzung einer Selbstregulierung gesteckt.

Alle massgebenden Verbände – die Bankiervereinigung, die Asset Management Association Switzerland (AMAS) und der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) – haben entsprechende Instrumente entwickelt, die von ihren Mitgliedern teilweise bereits verbindlich angewendet werden.

Das EFD will die Selbstregulierung vorerst aber nicht abwürgen. Wie das EFD schreibt, «könnte» die Verordnung des Bundes durch Selbstregulierungen der Branchen «ergänzt» werden. Sogar einen Rückzug der Verordnung könnte sich das Finanzdepartement vorstellen. So heisst es: «Falls die Finanzbranche doch eine Selbstregulierung präsentiert, die den Standpunkt effektiv umsetzt, wird das EFD auf weitere Regulierungsarbeiten verzichten.»

Standpunkte des Bundesrats

Der Bundesrat veröffentlichte seinen Standpunkt im Dezember 2022. Er hält fest, dass es für das Funktionieren des Marktes ein klares und allgemeines Verständnis braucht, wann ein Finanzprodukt oder eine Finanzdienstleistung als nachhaltig angeboten werden kann. Finanzprodukte oder -dienstleistungen sollen nur dann als nachhaltig angepriesen werden, wenn sie mit mindestens einem spezifischen Nachhaltigkeitsziel vereinbar sind oder zur Erreichung eines Nachhaltigkeitsziels beitragen, schreibt der Bundesrat.

Damit soll aus Sicht der Politik sichergestellt werden, dass Finanzprodukte und -dienstleistungen, die allfällige ESG-Risiken reduzieren sollen, nur dann als nachhaltig bezeichnet werden können, wenn sie neben einem «rein finanziellen» auch ein «nachhaltiges» Anlageziel verfolgen. Die Anbieter müssen darlegen, wie sie das angestrebte nachhaltige Anlageziel erreichen wollen. Zudem müssen sie periodisch über die gewählten nachhaltigen Anlageziele Rechenschaft ablegen und die Einhaltung der Transparenzanforderungen muss von einer unabhängigen Stelle überprüft werden können. Der letzte Punkt: Gemäss Bund sollen «Kundinnen und Kunden ihre Rechte auf dem Rechtsweg geltend machen können».

Dem Vernehmen nach geht dem Bund die Selbstregulierung in mehreren Punkten zu wenig weit. So vermissen die Behörden eine klare Definition, was ein nachhaltiges Finanzprodukt ist. Zudem verlangen sie, dass die Nachhaltigkeitswirkung eines Produkts messbar sein muss. Wird ein Produkt beispielsweise als «Paris-alinged» vermarktet, berücksichtigt es also die Pariser Nachhaltigkeitsziele, so müsste dieses Finanzprodukt einen definierten Reduktionspfad enthalten.

Eine Meldestelle wie für Geldwäsche?

Den Behörden fehlen zudem klare Massnahmen, wie die Regulierungen durchgesetzt werden sollen. Denkbar ist, dass die Branche eine Meldestelle einrichten muss, an die sich Kundinnen und Kunden bei Verdacht auf Greenwashing wenden können.

Die drei Verbände AMAS, Bankiervereinigung und SSV schreiben in einer gemeinsamen Erklärung, sie seien nach wie vor überzeugt, dass die Selbstregulierung ein wirksames und gegenüber der prinzipienbasierten Regulierung flexibleres Instrument zur Verhinderung von Greenwashing sei. Die Verbände werden den Bundesrat in seinen Bestrebungen weiterhin vollumfänglich unterstützen und sich aktiv in den Dialog mit den Behörden einbringen, um gemeinsam die Position der Schweiz als führender Standort für nachhaltiges Finanzwesen zu stärken.

Die AMAS, die Bankiervereinigung und der SVV haben im Jahr 2022 erste Massnahmen ergriffen, um Greenwashing zu verhindern. Die Bankiervereinigung veröffentlichte im Juni 2022 zwei Selbstregulierungen im Bereich Sustainable Finance mit Mindestanforderungen für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Anlageberatung sowie in der Vermögensverwaltung und Hypothekarberatung.

Der Verband der Asset-Manager hat im September 2022 eine «Selbstregulierung zur Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug» veröffentlicht. Diese Selbstregulierungen sind seit Januar 2023 beziehungsweise Oktober 2023 in Kraft. Der SVV erarbeitet zurzeit eine Selbstregulierung für anteilgebundene Lebensversicherungsprodukte. Diese soll auf den Selbstregulierungen der beiden anderen Verbände aufbauen und im ersten Quartal 2024 verabschiedet werden.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace schreibt in einer Stellungnahme, dass es «zwingend» eine staatliche Regulierung brauche, um Greenwashing wirksam zu verhindern. Sie misstraut der Selbstregulierung. Bisher habe die Branche «keinen Beweis» dafür erbracht, dass sie mit dieser Strategie Anlegerinnen und Anleger tatsächlich ausreichend vor Täuschung bei als nachhaltig bezeichneten Finanzprodukten schützen könne.

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