Das Halving bewegt den Bitcoin. An dieser Stelle haben wir schon mehrmals auf die Auswirkungen des alle vier Jahre stattfindenden Blockchain-Updates berichtet, bei dem die Menge an neu ausgegebenen Bitcoins um die Hälfte reduziert wird. Die hohe Volatilität des Bitcoins zeigt, die Investoren sind sich uneinig, wie die älteste Kryptowährung auf das Ereignis vom 20. April reagieren wird. Wird der Bitcoin steigen, wie nach den vergangenen Halvings? Wird das kurzfristig oder langfristig geschehen? Hat die Avance der vergangenen Monate den Halving-Bonus bereits vorweggenommen?
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Hongkong bewilligt Bitcoin-ETF – und solche auf Ethereum
• Kryptobörsen führen Self Custody Wallets ein
Während die Folgen für den Bitcoin im Nebel liegen, ist klar, was auf die Bitcoin-Miner zukommt. Ab dem 20. April erzielen sie für die gleiche Dienstleistung nur noch halb so viel Einnahmen. Die Belohnung für die Validierung eines neuen Blocks der Blockchain sinkt an diesem Tag von 6,25 auf 3,125 Bitcoin. Miner lösen mit ihren Hochleistungsrechnern komplexe mathematische Probleme und bestätigen damit die Legitimität aller in einem Block enthaltenen Transaktionen. Die Miner befinden sich untereinander im Wettstreit, um neue Blöcke zu «genehmigen» und das Entgelt einzukassieren.
Eine 10-Milliarden Einbusse
Anleger nutzen die Aktien von Bitcoin-Minern als «direktes» Investment in den Krypto-Sektor, ohne dass sie dabei Kryptos halten und ein Wallet eröffnen müssen. Stehen diese Aktien nun vor einem Blutbad? Der Nachrichtendienst «Bloomberg» schrieb vor wenigen Tagen, dass das Halving den Krypto-Minern einen 10-Milliarden-Dollar-Schlag versetzen werde. Zudem tauche ein weiteres Problem auf: Die Miner würden im Wettbewerb um günstige Stromtarife immer stärker mit KI-Unternehmen konkurrieren. Die Firmen im Bereich Künstliche Intelligenz betreiben ebenfalls Hochleistungscomputer, um ihre Modelle zu trainieren.
Die Miner-Aktien haben im laufenden Jahr den Halving-Hype des Bitcoins nicht mitgemacht. Marathon Digital beispielsweise, einer der grössten Bitcoin-Miner der USA, hat seit Anfang 2024 deutlich über 30 Prozent korrigiert. Und dies obwohl in dieser Zeit der Krypto-Preis stark anzog und die Belohnung für die Miner im gleichen Ausmass zulegte. Ist das Halving also schon eingepreist? Um im Miner-Ökosystem erfolgreich zu sein, muss ein Anbieter über kostengünstige Rechenleistung verfügen.Die Komplexität der mathematischen Aufgaben nimmt kontinuierlich zu, deshalb müssen Miner, um erfolgreich zu sein, ihren Computer-Park aufrüsten – oder möglichst günstige Energie beziehen.
Wer hat vorgesorgt?
Er erwarte nicht, dass das Halving eine Insolvenzwelle unter grossen Minern wie Iren, Riot Blockchain, Marathon Digital, CleanSpark oder Hut8 auslösen werde, sagt Til Lükermann, COO und Mitgründer von MeasureX, einem Plattform- und Softwareanbieter für Management und E-Commerce Lösungen für Miner und Hosting Anbieter. «Beim letzten Halving meldeten zwar einige Firmen, darunter Core Scientific, Insolvenz an, jedoch betraf dies hauptsächlich Hosting-Anbieter. Diese hatten ihre Geräte und Plätze an private Nutzer und andere Miner verkauft und erzielten Einnahmen durch Aufschläge auf den Stromverkauf. Nach dem Halving konnten einige Kunden ihre Stromrechnungen bei Core Scientific nicht mehr zahlen, was zu finanziellen Schwierigkeiten führte», erklärt Lükermann.
Es komme darauf an, ob ein Mining-Unternehmen die freien Mittel nur für den Kauf von Energie und neuer Hardware genutzt habe, oder ob in guten Zeiten Reserven gebildet worden seien, sagt Nourdine Abderrahmane, Experte beim Entwickler technologiebasierter Kapitalmarktlösungen LPA. «Beim letzten Halving blieb der Bitcoinkurs rund sechs Monate im gleichen Range, bevor er sich verdreifachte und dadurch den Halvingverlust in Fiatwährung wettmachen konnte», so der LPA-Experte. Es werde sich also zeigen, wie solide die Firmen gewirtschaftet hätten.
Der Mining-Sektor hat gemäss dem MeasurX-Manager in den vergangenen vier Jahren seit dem letzten Halving jedoch erheblich professionalisiert und die Firmen hätten bedeutende Bitcoin-Reserven aufgebaut, die im Krisenfall verkauft werden könnten. Ein solcher Verkauf würde allerdings den Bitcoin-Preis drücken und somit eine finanzielle Notlage für weitere Miner provozieren, die dann ihre Reserven veräussern müssten, was in eine Abwärtsspirale münden könnte.
Kurs darf nicht unter 44'000 fallen
Nach einer Analyse des Finanzdienstleisters Cantor Fitzgerald liegen die Produktionskosten der grossen Miner nach dem Halving durchschnittlich bei etwa 44’000 Dollar pro Bitcoin. Solange der Bitcoin-Preis über diesem Niveau bleibt, sind keine negativen Auswirkungen durch das Halving zu erwarten. Nach dem Halving könnten Anbieter mit älterer Hardware und hohen Stromkosten gezwungen sein, den Markt zu verlassen. Dadurch würden die verbleibenden Miner, die von günstigen Strompreisen profitieren und moderne Geräte einsetzen, einen Anstieg ihrer Erträge in Bitcoin erwarten.
Nach dem Halving wird der Kampf um frisches Kapital intensiver – dieses werden vor allem grosse Betreiber erhalten, die geringe Grenzkosten aufweisen. Um auf die verringerten Einnahmen zu reagieren, hätten die meisten Miner bereits vor einigen Monaten Vorkehrungen getroffen und Verträge mit den Hardware-Ausrüsteren Bitmain und MicroBT für die neuesten Modelle unterzeichnet, sagt Lükermann. Diese neue Hardware soll im Verlauf des Jahres 2024 geliefert werden und nach und nach ältere Ausrüstung ersetzen. «Die Stromverbrauch der neuen Maschinen sind ähnlich, bieten aber nahezu die doppelte Hashrate. Dadurch werden die Miner ihre Hashing-Leistung Schritt für Schritt, ohne einen signifikanten Anstieg des Stromverbrauchs, verdoppeln können», so der MeasureX-Experte.
Schulden abgebaut
Abderrahmane zählt Möglichkeiten auf, wie Miner ihre Produktionskosten senken können: «Man könnte die kalkulatorischen Kosten für die Hardware-Erneuerung, die Geräte haben eine durchschnittliche Lebenszeit von 5 Jahren, reduzieren oder pausieren». Ausserdem würde die Mining-Hardware immer Mining-Alternativen von anderen Coins mit zeitweise attraktiveren Renditen bieten. So könnten sich Konkurrenz-Coins wie etwa der Litecoin als Mining-Sieger positionieren. Natürlich könne ein Unternehmen auch den HODL Ansatz wählen. Dabei werden die geschürften Bitcoin nicht sofort in Fiat-Währung umgetauscht, sondern der Miner wartet auf steigende Kurse.
Für die meisten Firmen scheint eine höhere Verschuldung wegen Hardware-Investitionen kein vorrangiges Thema zu sein. «Das vorhersehbare Datum des Halvings erlaubt eine strategische Einplanung in die Geschäftsprozesse. Viele Unternehmen haben daher bereits im Vorfeld Massnahmen ergriffen, wie zum Beispiel eine Schuldenreduzierung», sagt Lükerman. Gemäss Yahoo hat etwa Riot Blockchain die Verbindlichkeiten auf rund 23 Millionen Dollar reduziert, während das Unternehmen über liquide Mittel von 517 Millionen Dollar verfügt.
Die Verschuldung von Minern sei ein zweischneidiges Schwert, ergänzt Hans-Jörg Morath, Head Product Strategy & Client Coverage bei Digital Asset Solutions. «Viele Unternehmen sind auf Fremdfinanzierung zur Überbrückung des sogenannten Halving-Schocks angewiesen. Dies ermöglicht die kontinuierliche Schürfung neuer Bitcoin und die volle Auslastung der bereits gekauften Geräte.» Andere hätten sich eine gewisse Menge an Bitcoin auf die Seite gelegt, die bei anhaltenden Schwierigkeiten rasch veräussert werden können. Wegen dieser Strategie sind diese Miner allerdings doppelt auf einen Preisanstieg angewiesen.
Miner stabilisieren nachhaltige Stromproduktion
Das Halving wird den Trend hin zu einem nachhaltigeren Mining verstärken. Wegen des hohen Stromverbrauchs steht das «Proof-of-work»-Verfahren des Bitcoins oft in der Kritik. «Immer mehr Miner verlegen ihre Betriebe in Länder wie Norwegen oder Paraguay, wo günstige Energiekosten und ein Überfluss an erneuerbaren Energiequellen Hand in Hand gehen», sagt Lükermann. Abgesehen von einigen Staaten im Mittleren Osten, zeichneten sich Länder mit niedrigen Energiekosten oft durch einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien aus. Zudem ziehe das Bitcoin Mining zunehmend die Aufmerksamkeit von Regulierungsbehörden auf sich. Insbesondere grosse Unternehmen streben danach, restriktive Massnahmen oder gar Verbote zu verhindern.
Die Preise für Energie sind zentral für ein Mining-Geschäft. «Strom stellt oft die Hauptausgabequelle eines Unternehmens dar. Wer Zugang zu kostengünstiger Energie erhält, hat einen sofortigen Wettbewerbsvorteil», so Morath. Gerade deshalb würden viele Miner überschüssige Energie nutzen, die entweder gar nicht oder nur sehr ineffizient hätten verwertet werden können. Die Energieproduzenten würden eine Entschädigung und Miner günstigen Strom erhalten, so Morath. «Dies trägt definitiv zur Stabilisierung des Markts für nachhaltige Energie bei», fügt er an. Zahlreiche Studien legen gemäss Lükermann nahe, dass Bitcoin Mining den Ausbau erneuerbarer Energiequellen sogar unterstützen und vorantreiben kann.
Aufgrund der Entwicklung der Strompreise in Europa gibt es gemäss Abderrahmane schon kein nennenswertes 24/7 Mining mehr in Europa. Spannend werde es jedoch bei «Teilzeit-Mining-Modellen», da in Europa der Zubau nachhaltiger Energie stark zunehme und regelmässig Situationen am Stromnetz entstehen, in denen dringend grössere Stromabnehmer gesucht werden, die teilweise dann sogar noch negative Preise für die Abnahme der Stromkapazitäten zahlen. «Hier ergeben sich Chancen für Miner, die vor Ort Abnahmekapazitäten aufbauen können», sagt der LPA-Experte. Zudem werde die Branche zwangsläufig ökologischer, da Wasser, Wind und Luft inzwischen die günstigsten Stromquellen seien, allerdings Speichermöglichkeiten fehlten.
Anpassungen dauern rund ein Jahr
Die meisten Mining-Unternehmen haben sich intensiv auf das bevorstehende Halving vorbereitet und sind robust aufgestellt. Lükermann erklärt, dass der Bitcoin-Algorithmus so gestaltet ist, dass das Mining durchgehend attraktiv bleibt: «Der integrierte Mechanismus zur Anpassung der Mining-Schwierigkeit (Difficulty Adjustment), der etwa alle zwei Wochen stattfindet, gewährleistet, dass unabhängig von den Preisfluktuationen des Bitcoins, das Mining für jene mit den niedrigsten Strompreisen rentabel bleibt». Die kotierten Bitcoin-Miner gehören zu den Branchenschwergewichte und profitieren aufgrund des hohen Stromverbrauchs von den niedrigsten Tarifen.
Hans-Jörg Morath ergänzt, dass die Bewertung von Mining-Aktien vielmehr der eines traditionellen Unternehmens als der Einschätzung eines digitalen Assets ähneln würde. «Man muss klar zwischen kleinen, eher amateurhaften Mining-Geschäften und den hochprofessionellen, börsengehandelten Akteuren unterscheiden. Denn grundsätzlich sind sich seriöse Mining-Unternehmen der tieferen Umsätze nach dem Halving durchaus bewusst. Sie planen entsprechend mit grösseren Cash-Beständen, um Ausgaben trotz der Halbierung der Einnahmen decken zu können». Bereits in den vergangenen Marktzyklen habe sich das dank tieferer Konkurrenz und steigenden Bitcoin-Preisen ausgeglichen. Dieser Prozess könne über ein Jahr dauern.
Das Proof-of-Work ist gemäss Morath ein ausgeklügeltes System: «Wenn ineffiziente Mining-Unternehmen Konkurs gehen, wird das Mining sofort lukrativer für konkurrierende Akteure.» Hätten diese noch Ausbaupotenzial, können sie davon profitieren und ihren Marktanteil ausbauen. Strom sei aber eine endliche Ressource, weshalb nicht alle Unternehmen gleich flexibel sind.
Fällt die 21 Millionen-Grenze?
Es werde spannend, zu beobachten, inwiefern der enorme Erfolg der Bitcoin-ETF einen Einfluss auf die Märkte haben werde, ergänzt Abderrahmane. In den drei grössten Spot-ETF sind bereits Bitcoin im Wert von 30 Milliarden Dollar, was bereits einem Viertel der geschätzten frei handelbaren Bitcoins entspricht. «Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, könnte es zu einem echten Liquiditätsengpass von handelbaren Bitcoins kommen, womit für Anleger der Zugang über Mining immer attraktiver werden könnte», so der LPA-Experte.
Die langfristigen Implikationen der Halvings werden gemäss Morath manchmal unterschätzt und nicht genug thematisiert. Der Mechanismus für die Wahrung eines stetigen Niveaus an Sicherheit des Netzwerks (gesamte aktive Rechenleistung der Miner, Hashrate) setze eine Verdopplung des Bitcoin-Preises alle vier Jahre voraus. Alternativ müssten Transaktionsgebühren stark ansteigen, um den verlorenen Umsatz wettzumachen. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, muss sich zeigen. «Möglicherweise wird es eine umstrittene Debatte über die Aufhebung der 21 Millionen Grenze geben, um einen langfristigen Anreiz für Miner zu schaffen», sagt Morath.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Hongkong bewilligt Bitcoin-ETF – und solche auf Ethereum
Drei ETF-Anbieter haben von der Hongkonger Wertpapier- und Futures-Kommission (SFC) die Genehmigung erhalten, kotierte Indexfonds aufzulegen, die den Kassakurs von Bitcoin und Ether abbilden. Diese Meldung wurde bisher jedoch erst von den Fondsanbietern verbreitet. Diese Unternehmen sind ChinaAMC, Harvest Global und Bosera International. Noch nicht bekannt ist, ab wann die Zulassung gilt. Die Vermögensverwalter haben die ETF noch nicht aufgelegt. Der Handel mit Kryptowährungen ist auf dem chinesischen Festland nach Untersuchungen gegen zahlreiche Anbieter im Jahr 2021 praktisch verboten. Die Sonderverwaltungszone Hongkong versucht jedoch, sich zu einem regulierten Kryptozentrum zu entwickeln und will mit Standorten wie der Schweiz, Dubai und Singapur konkurrieren. Nicht geklärt ist, ob Anleger aus Festlandchina über die ETF in Kryptowährungen investieren dürfen. Hongkong ist nach Kanada einer der ersten Finanzplätze der Welt, die einen Ether-ETF zulassen.
Kryptobörsen führen Self Custody Wallets ein
Neue Regulierungsvorschriften veranlassen immer mehr Kryptobörsen dazu, sogenannte Self-Custody Wallets zu lancieren. Binance, OKX, Coinbase, Bitget und Bybit betreiben bereits Self-Custody Wallets für digitale Vermögenswerte. Nun zieht auch Kraken, die zweitgrösste US-Kryptobörse, nach. Derzeit unterstützt die Kraken Wallet Kryptowährungen auf acht Blockchains, darunter Bitcoin, Ethereum, Solana, Optimism, Base, Arbitrum, Polygon und Dogecoin. Die Kraken Wallet unterstützt neben den genannten Kryptowährungen auch Dezentrale Finanzdienstleistungen (DeFi), Non-fungible Token (NFT), Dezentrale Anwendungen (dApps) über Wallet Connect. Das Kraken-Produkt wird das erste Wallet einer grossen Börse sein, das als Open Source veröffentlicht wird, so dass Entwickler auf den Code zugreifen und zu diesem beitragen können. Mit Self Custody Wallets erhält der Kunde die Kontrolle über die privaten Schlüssel, während diese bei Custody Wallets von zentralisierten Börsen verwaltet werden.