Digital Assets Briefing
Ether hat in diesem Jahr eine noch bessere Performance hingelegt als Bitcoin. Das hat nur bedingt mit der erhofften Ethereum-ETF-Zulassung zu tun.
15. März 2024 • Werner Grundlehner

Der Bitcoin fasziniert und zieht Anleger in seinen Bann. Kein Wunder bei neuem Höchststand und einer Avance von rund 65 Prozent seit Jahresbeginn. Spätestens seit dem Start von börsengehandelten Bitcoin-ETF in den USA, die den Spotpreis abbilden, liegt auch der Fokus der traditionellen Anleger auf der grössten und ältesten Digitalwährung.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Zuger OECD-Mindeststeuer fliesst in die Blockchain-Forschung
• Maerki Baumann lanciert neues Krypto Zertifikat


Doch das zweitgrösste Kind in der noch jungen Krypto-Familie hätte auch Aufmerksamkeit verdient. Unter Investoren hat das der Ether auch, der Token der Ethereum-Blockchain. Vielleicht nicht in den Medien, in der öffentlichen Diskussion – aber als Investment liess der Ether mit einem Anstieg von rund 80 Prozent den Bitcoin im Jahresverlauf 2024 bisher deutlich hinter sich. Das Höchst von November 2021 hat der Ether aber noch nicht erreicht – es fehlen noch rund 10 Prozent.

Der Weg in die Breite

Angesichts dieser Sprints dieser Kryptowährungen stellen sich zwei Fragen: Erstens ist der Ether nur geklettert, weil ihm die gleiche Entwicklung wie dem Bitcoin bevorsteht. Denn in den Vereinigten Staaten sind mehrere Anträge auf die Zulassung von Ethereum-Spot-ETF hängig. Eine Zulassung würde auch hier das Tor für Retailinvestoren und weniger techaffine Institutionelle weit aufstossen.

Zweitens: Soll man den Ether und den Bitcoin überhaupt miteinander vergleichen – oder wäre das, wie wenn man UBS-Aktien mit Nvidia-Valoren vergleicht. Schliesslich sind beides Aktien. So sind auch Bitcoin und Ethereum beides Blockchains und ihre Coins gelten als «Kryptowährungen». Doch dann hat es sich schon bald mit den Gemeinsamkeiten.

Der Bitcoin wird vor allem als Währung, mittlerweile aber vor allem als Wertaufbewahrungsmittel genutzt, während die Ethereum-Blockchain in erster Linie ein «Betriebssystem» für Web3-Anwendungen wie DeFi (dezentralisierte Finanzdienstleistungen) und NFT ist.

Daniel Diemers, von der SNGLR Group und Co-Founder der Swiss Metaverse Association, glaubt nicht, dass eine mögliche ETF-Zulassung der Treiber der Kursavance ist. «Die Wahrscheinlichkeit für eine ETF-Zulassung schwanken zwischen 30 und 70 Prozent, dass die Fonds bis Mai vom SEC in den USA bewilligt sind», sagt er. Das zeige, wie viel Unsicherheit um das Thema herum besteht.

Der Kurs von ETH korreliert schon seit 2017 zwischen 80 und 90 Prozent mit dem Bitcoin. Somit stieg der Preis für Ethereum – wie auch vieler anderer Altcoins (alternative Coins, alle die nach dem Bitcoin eingeführt wurden) – gemeinsam mit Bitcoin nach oben. «Inwiefern diese Korrelation durch die Lancierung von Ether-ETF sinken wird im Sinne einer Entkopplung von Ethereum, müsse sich erst noch zeigen», sagt Diemers. Er sei da skeptisch.

Italienischer Massschuh vs. Schweizer Bergschuh

Urs Bolt, Dozent an der Hochschule Luzern und Financial Mentor, meint zur zweiten Frage: «Es ist meines Erachtens nicht sinnvoll. Bitcoin ist eine Kategorie für sich, Ethereum ist dagegen ein Protokoll für eine Infrastruktur auf dem ganze Ökosysteme aufbauen. Das ist zwar bei Bitcoin mit Einschränkungen auch so, aber halt eben nur für das Bitcoin-Ökosystem.»

Er halte es dagegen für sinnvoll, Bitcoin und Ethereum zu vergleichen, meint Diemers. «Als Analogie: Der Bitcoin ist eher der edle italienische Massschuh, und Ethereum der robuste Schweizer Bergschuh.» Einsatzmöglichkeit und Nutzen der beiden Protokolle seien zwar sehr unterschiedlich. Als breites Zahlungsmittel ist Bitcoin für Diemers aber immer noch fraglich. In Europa oder den USA hätten wir kein echtes Zahlungsproblem – wenn man im Laden also etwas kaufen will, habe man bereits heute viele andere Möglichkeiten jenseits von Cash. Und wenn man Bitcoin als Inflationshedge nutze, dann sollte man sie vermutlich ebenfalls eher ansparen, als für den täglichen Konsum auszugeben.

Spannend sind Projekte wie in El Salvador. Hier war das Vertrauen in die lokale Zentralbankwährung so tief, dass die Regierung auf Bitcoin gewechselt hat. «Makroökonomisch führt das aber zu einem Dilemma: Für ein gutes Wirtschaftswachstum brauche ich eine gesunde Sparquote. Wenn aber die Preisvolatilität und Spekulation dazu führt, dass die Menschen lieber ihre Bitcoins ansparen, weil sie auf Kursgewinne in der Zukunft hoffen, bremst das die Wirtschaft enorm», führt Diemers aus.

Mehr Ziel als nur Handelbarkeit

Die Ethereum-Blockchain, die im Jahr 2014 startete, hatte von Anfang an ambitionierte Ziele als lediglich Tokens handelbar zu machen. Stattdessen ermöglicht Ethereum das Programmieren sogenannter Smart Contracts. Dies sind Programme, die automatisch Vereinbarungen ausführen, wenn bestimmte, vorher festgelegte Bedingungen erfüllt sind. So können beispielsweise Zahlungen automatisch freigegeben werden, sobald die Lieferung von Gütern erfolgt.

Mit Projekten wie dem Lightning und Ordinals (NFT auf Bitcoin), wird versucht, den Bitcoin mehr Anwendungsmöglichkeiten zu eröffnen. Dringt er damit in den Kernmarkt von Ethereum ein und wird damit zum ernsthaften Konkurrenten auf diesem Gebiet? «Das glaube ich weniger», sagt Bolt von der Hochschule Luzern. Es könnte aber nach seiner Meinung das Bitcoin-Ökosystem substanziell voranbringen und die Adoption erhöhen und verbessern.

«Die zwei Narrative: Bitcoin als digitales Gold und Investment – nun auch stark von den Bitcoin-ETF unterstützt – und Bitcoin als praktische Allzweckwaffe für Zahlungen und Innovationen, passen nicht zusammen. Ich glaube, das digitale Gold war nie eine bewusste Absicht von der Community, inklusive Satoshi Nakamoto, aber das ist heute der hauptsächliche Use Case», sagt Daniel Diemers.

Zu teuer, zu langsam

Auf der Bitcoin-Blockchain werden aktuell rund 350'000 bis 400'000 Transaktionen pro Tag ausgeführt. Viele davon sind auch Maschine-zu-Maschine-Geschäfte, also von algorithmischen Tradern oder den Mixern/Tumblern gesteuert. Die Transaktionskosten betragen gemäss Diemers zwischen 6 und 20 Franken. «Wenn Bitcoin sich in breiten Teilen der Welt als Zahlungsmittel etablieren will, passen diese Statistiken nicht, es bräuchte also andere Lösungen, wie z.B. Lightning», sagt der SNGLR-Group-Experte.

Aber auch Ethereum hat mit hohen Gebühren (Gas Fees) und der Kapazität zu kämpfen. Diemers führt an, dass man diese Probleme in den Griff bekommen habe. «Der Übergang zu Proof of Stake ist geglückt und die Exzesse bei Gas Fees von vor ein paar Jahren sind Geschichte. «Wir liegen aber immer noch bei 4 bis 5 Franken pro Transaktion, das ist je nach Use Case sehr hoch». Entsprechend intensiv sind die Layer-2 Protokolle, die auf Ethereum aufbauen, dabei, sich als Alternative anzubieten», führt er aus.

Eher als mit Bitcoin könnte man Ethereum also mit Web3-Blockchains wie Solana und Cardano vergleichen. Er sehe Ether aber in einer eigenen Liga, sagt Diemers. «Das Team um Vitalik Buterin war einfach allen anderen immer drei Schritte voraus: bei den Smart Contracts, bei DeFi, dem DAO-Konzept (dezentrale Geldverwaltungssysteme), dem NFT- Protokoll und natürlich auch der Übergang von Proof of Work zu Proof of Stake».

Was kaufe ich denn da?

Eine weitere Frage in der aktuellen Krypto-Euphorie ist, ob die vielen Käufer von Kryptowährung überhaupt wissen, in was sie da investieren und wozu sie die Coins dereinst nutzen wollen. Natürlich ist bei jedem Investment die Aussicht auf höhere Werte – also auf einen Gewinn – der Treiber. Einen Ether zu kaufen, nur weil man darauf wartet, dass er mehr Wert bekommt, ist ein bisschen so, wie wenn man einen Tesla kauft, nicht nutzt und hofft, dass dieser in einigen Jahren mehr Wert haben wird. Der Vergleich hinkt insofern, als dass der Ether keine altersbedingte Abnützung kennt und er alle Modernisierungen (Updates) mitmacht.

«Je mehr Kryptowährungen zum Mainstream werden, umso mehr sehen viele Anleger diese wohl als Investment», sagt Bolt. Das sei ähnlich wie bei Gold: Wer einen ETF kaufe, habe nur einen Kredit oder ein Guthaben im Basiswert investiert. «Diejenigen, die Bitcoins in Offline Wallets beziehungsweise physisch Gold ausserhalb des Bankensystems halten, wollen sich aber gegen die Risiken eines Zusammenbruchs der Märkte und Finanzsystems absichern», sagt der Finanzexperte. Und die Blockchain-Technologie sei wohl bei den meisten Anlegern ein nachrangiges Kriterium, obwohl dies gerade bei den Altcoins, die oft Utility Tokens sind, eine entscheidende Rolle spielen sollte, so Bolt.

Und der Energieverbrauch?

Einen grossen Unterschied gibt es aber zwischen den beiden Blockchains – der Energieverbrauch für den Betrieb. Und hier glänzt der Bitcoin gar nicht. Laut Daten des Cambridge Center for Alternative Finance belief sich der Energiebedarf des globalen Bitcoin-Netzwerks Ende 2022 auf etwa 90 Terawattstunden, was rund 0,4 Prozent der weltweit produzierten Strommenge entsprach.

«Der hohe Energieverbrauch bleibt sicher ein wichtiges Thema, vor allem für institutionelle Investoren und Family Offices, die oft klare ESG-Vorgaben haben, aber auch eine neue Generation an Crypto- und Blockchain-Begeisterten, die sich weniger für die Technik interessieren, und einfach wissen wollen, dass sie mit Blockchain keine Probleme rund um Energie und Umwelt verursachen», sagt Diemers. Aus technischer Sicht sei es aber immer noch so, dass Proof-of-Work eine stabile, fast unmöglich zu manipulierende Lösung sei, die Sicherheit und Datenintegrität der Blockchain garantiere. Sogar Vitalik Buterin habe damals bei seiner Ehrendoktor-Verleihung an der Universität Basel zugegeben, dass Proof-of-Stake, als grundsätzlich ökonomisches Konsensprinzip, vermutlich etwas weniger sicher ist als Proof-of-Work.

«Das Thema Energieverbrauch ist eigentlich abgeschlossen», ist Urs Bolt überzeugt. Es könne so viel Energie verbraucht werden, wie nötig ist, solange der Strom, der fürs Mining verwendet wird, umweltschonend, ökonomisch sinnvoll und ständig verfügbar sei. Die derzeitige Kritik am Energieverbrauch bei AI (Künstlicher Intelligenz) erinnert den Finanzexperten an die Kritik, die bei Bitcoin vor einigen Jahren immer gekommen ist. «Langsam aber sicher realisieren immer mehr Leute, dass eine digitale Wirtschaft mit Strom aus Quellen mit möglichst hoher Energiedichte am besten betrieben werden kann», so Bolt.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

OECD-Mindeststeuer in die Blockchain-Forschung

Fast 40 Millionen Franken sollen in die Initiative «Blockchain Zug» fliessen. Das hat der Zuger Kantonsrat einstimmig bewilligt. Die Mittel stammen aus den Einnahmen der OECD-Mindeststeuer. Mit den Mitteln soll einerseits ein neues Blockchain-Institut aufgebaut werden. Andererseits gehört auch ein neues Institut an der Universität Luzern mit neun Lehrstühlen zum Projekt, das dem Zuger Crypto Valley helfen soll, zum internationalen Zentrum für die Blockchain-Forschung zu werden.

Ein Gremium mit Vertretungen des Kantons Zug, der Hochschule Luzern und gegebenenfalls Externen soll regelmässig über den Stand von Aktivitäten und Perspektiven informiert werden – sich aber auch aktiv einbringen. Das Vorhaben erhielt schon in erster Lesung Ende 2023 eine breite Zustimmung. Von den OECD-Mindeststeuer fliesst (wenn sie dann eingeführt ist) ein Viertel an den Bund, drei Viertel gehen an die Kantone. Dabei profitieren die finanzstarken Kantone wie Zug und Basel Stadt mit vielen Unternehmen und tiefen Steuern am meisten von zusätzlichen Einnahmen.


Maerki Baumann lanciert neues Krypto Zertifikat

Vor wenigen Tagen lancierte Maerki Baumann, die sich als Brückenbauerin zwischen traditionellem Banking und der digitalen Welt sieht, anlässlich der Feier zum 90. Firmengeburtstag die Krypto-Marke «Archip». Diese umfasst eine breite Palette an Krypto-Dienstleistungen für Private, Institutionelle und Unternehmen. Wenige Tage später lanciert die Privatbank ein Zertifikat gleichen Namens. Das neue Zertifikat bietet ab einem Mindestvolumen von 10'000 Franken eine aktiv verwaltete Investitionsmöglichkeit in digitale Vermögenswerte.

Kundinnen und Kunden müssen sich weder um die Einrichtung eines Wallets oder den Handel mit Kryptowährungen kümmern. Dank einer Besicherung ist das Produkt auch für den Vertrieb an Privatkunden zugelassen. Die Verbriefung der Anlageidee übernahm der Schweizer Spezialist Gentwo. Dank der Verbriefung entsteht ein bankfähiges Anlageprodukt auf digitale Vermögenswerte mit einer Schweizer ISIN. Das Zertifikat kann entweder in einem Depot bei Maerki Baumann oder bei Drittbanken gehalten werden.

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