AT1-Anleihen
Spezialisierte Distressed-Debt-Fonds haben Blut gerochen – auf die Grossbank als Rechtsnachfolgerin der CS könnten Forderungen von 16,5 Milliarden Franken plus Zinsen zukommen. Ihnen dient Lehman Brothers als Blaupause.
16. Oktober 2025 • Beat Schmid

Es sind Geschäfte, die in schummrigen Seitengassen der Finanzindustrie abgewickelt werden: der Handel mit notleidenden Krediten, um daraus Gewinne zu erzielen. Vulture-Fonds (auch Geierfonds genannt) haben sich auf die Verwertung von sogenanntem Distressed Debt spezialisiert.

In die Kategorie Distressed Debt fallen auch die Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) der Credit Suisse, deren Wert im Rahmen der Notfusion am 19. März 2023 auf Null abgeschrieben wurde. Wie das Bundesverwaltungsgericht in einem überraschenden Urteil festgestellt hat, war dieser Abschreiber rechtswidrig.

Noch nicht entschieden ist, wie die Gläubiger der Anleihen entschädigt werden sollen. Dazu muss das erste Urteil erst rechtskräftig werden. Die Finanzmarktaufsicht Finma hat als eine der involvierten Parteien am Mittwoch angekündigt, das Urteil ans Bundesgericht weiterzuziehen.

Erste Geierfonds bringen sich in Stellung

Derweil bringen sich die ersten Geierfonds bereits in Stellung. Redwood Capital Management, Diameter Capital Partners und 140 Summer Partners sollen sich mit AT1-Bonds eingedeckt haben. Ebenfalls mitmischen könnte Appaloosa, ein Hedgefonds, der auf Distressed Debt spezialisiert ist. Laut Bloomberg soll der Fonds zumindest im letzten Jahr AT1-Papiere der CS gehalten haben.

In Distressed-Debt-Kreisen wird bereits die Pleite von Lehman Brothers als Blaupause für die Credit Suisse herangezogen. Die US-Investmentbank, die 2008 im Sturm der Finanzkrise unterging, bescherte posthum einigen Investoren riesige Gewinne. Die Gläubiger von Lehman Brothers International Europe erhielten ihr Kapital vollständig zurückgezahlt und darüber hinaus sogar grosszügige Zinszahlungen.

Auch im Fall der Credit Suisse und der AT1-Anleihen gibt es offenbar Investoren, die auf eine vollständige Rückzahlung inklusive Auszahlung der aufgelaufenen Zinsen hoffen. Kommt es so – was zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativ ist –, könnte dies sehr, sehr teuer werden. Mehrere emittierte AT1-Bonds in Milliardenhöhe zahlten einen Coupon von 4,5 Prozent. Nimmt man diesen Zins für die gesamte Schuld von 16,5 Milliarden, steigen die Ansprüche pro Jahr um 750 Millionen Franken. Stand jetzt würden sie bereits bei über 18 Milliarden liegen. Andere Investoren sollen offenbar weniger optimistisch (oder gierig) sein und rechnen mit 3 Milliarden – also gleich viel, wie auch die Aktionäre erhalten hatten.

Der Markt ist auch gerade daran, sich eine «Meinung» zu bilden. Nach dem Urteil sind die an sich «wertlosen» Papiere bereits teurer geworden. In speziellen Händlerkreisen kann man die Forderungen für etwa 30 Rappen pro Franken kaufen. Vor der Bekanntgabe des Gerichtsurteils lagen die Preise bei rund 12 Rappen, also weniger als der Hälfte. 30 Prozent von 16,5 Milliarden sind knapp 5 Milliarden Franken.

Wer muss zahlen? Die UBS oder der Bund?

Die grosse Frage ist, wer den Schaden bezahlen muss, wenn das Bundesgericht das Urteil bestätigen sollte. Zunächst wäre die UBS als Rechtsnachfolgerin der Credit Suisse verpflichtet, die betroffenen Anleger zu entschädigen. Juristisch gesehen hat die UBS beim Notverkauf 2023 alle Rechte und Pflichten der Credit Suisse übernommen – einschliesslich potenzieller Haftungsrisiken aus früheren Rechtsakten. Deshalb tritt sie auch als Partei im Prozess auf.

Die Abschreibung der AT1-Anleihen war zwar eine Voraussetzung für die Übernahme der CS. Allerdings erfolgte diese nicht durch die UBS, sondern auf Anordnung der Finma aufgrund einer Notverordnung des Bundesrates. Diese Anordnung wurde vom Bundesverwaltungsgericht nun als rechtswidrig und ohne ausreichende gesetzliche Grundlage beurteilt.

Daher erwarten Fachjuristen wie Peter V. Kunz, dass es bei einer definitiven Verurteilung der UBS zu einem weiteren Rechtsstreit zwischen der UBS und der Eidgenossenschaft kommen würde. Die Bank könnte versuchen, den Bund regresspflichtig zu machen, da die Abschreibung behördlich – und nicht geschäftlich – angeordnet worden war.

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