Wie Recherchen von Tippinpoint ergeben haben, verwaltet Julius Bär Kundengelder mit Russland-Bezug im Umfang von rund 17 Milliarden Franken. Die Zürcher Privatbank äussert sich nicht zu der Zahl. Die Summe entspricht gut drei Prozent der insgesamt verwalteten Vermögen von Julius Bär, die per Ende letztes Jahr 466 Milliarden Franken betrugen. Gestern machte die Bank erste Angaben zum Geschäft.
Damit dürfte sie leicht über dem Durchschnitt aller Banken in der Schweiz liegen. Der Präsident der Bankiervereinigung, Marcel Rohner, schätzte an einem Mediengespräch letzte Woche das gesamte Exposure des Schweizer Finanzplatzes auf 200 Milliarden Franken oder zwei Prozent aller in der Schweiz verwalteten Gelder. Nimmt man nur die grenzüberschreitend angelegten Gelder zum Massstab, sind es vier Prozent.
Da Julius Bär auch ein Inland-Geschäft betreibt, dürfte der Anteil der russischen Gelder an ihrem Offshore-Geschäft somit über den von der Bankiervereinigung in den Raum gestellten vier Prozent liegen. Die Bank macht keine Angaben zur geografischen Verteilung ihrer Kunden und Vermögen.
Seco-Beamter im Burnout
Die Sanktionen treffen die Schweizer Banken empfindlich. Erstens bedeuten die ständig erneuerten Sanktionslisten einen riesigen Aufwand. Die internen Compliance-Abteilungen befinden sich am Anschlag, obschon sie in den letzten Jahren massiv heraufgefahren wurden. Die Bank Bär musste sich externe Unterstützung durch die internationale Kanzlei Baker McKenzie holen.
Der zweite Punkt: Für die Banken ist noch weitgehend unklar, was sie mit den Vermögen von sanktionierten und vor allem nicht sanktionierten Kundinnen und Kunden mit Russland-Bezug überhaupt noch machen dürfen. Welche Geschäfte sind möglich, welche nicht? Das Staatssekretariat für Wirtschaft des Bundes (Seco), das für die Umsetzungsvorgaben der Sanktionen zuständig ist, scheint ebenfalls am Anschlag zu sein. Der zuständige Beamte soll mit einem Burnout ausgefallen sein.
Die von der offiziellen Schweiz erlassenen Sanktionen sind das eine Problem. Für die meisten grösseren Banken kommt hinzu, dass sie auch die Sanktionen von anderen Regierungen einhalten müssen. Allen voran die Vorgaben der Amerikaner, aber auch von anderen wichtigen Finanzplätzen wie Japan, UK oder EU. Diese Regeln ändern fast täglich, was den erhöhten Stresspegel in den Banken erklärt.
Schlechte Erfahrungen mit dem Iran werden wach
Diese Unklarheiten führen dazu, dass die Banken in Bezug auf Finanzgeschäfte mit russischen Kunden auf der Bremse stehen. Noch im Nacken sitzen einigen Schweizer Instituten die schlechten Erfahrungen, die sie mit anderen sanktionierten Staaten wie etwa dem Iran gemacht hatten. Die Credit Suisse musste 2009 in den USA eine Strafe von 536 Millionen Dollar zahlen wegen Iran-Geschäften.
Das wiederum führt dazu, dass margenträchtige Finanzgeschäfte derzeit gar nicht mehr möglich sind. Das einst lukrative Business mit vermögenden russischen Kunden hat sich für die Privatbanken seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine in ein schlechtes Geschäft, möglicherweise in ein Verlustgeschäft verwandelt.