«Geringerer Lebensstandard»
Wie viel Eigenkapital die UBS halten soll, ist ein heisses politisches Thema. In die hitzige Debatte platzt nun ein «Diskussionspapier» von Professoren des banknahen Swiss Finance Institute.
17. Oktober 2024 • Beat Schmid

Die sogenannte Public Discussion Note wurde am Mittwoch auf dem Webserver des Swiss Finance Institute (SFI) aufgeschaltet. «Eigenkapitalanforderungen für Banken: Warum, wie hoch, sollte man sie erhöhen, welche Alternativen gibt es?», lautet der Titel des 21-seitigen Papiers. Verfasst wurde es von Steven Ongena, Professor für Bankwesen an der Universität Zürich, und Simona Nistor, Assistenzprofessorin für Bankwesen an der Babeș-Bolyai Universität in Cluj-Napoca (Rumänien).

Das Papier beschreibt, warum Eigenkapitalanforderungen für Banken notwendig sind, wie sich das Eigenkapital der Banken zusammensetzt und wie hoch die Anforderungen der Regulatoren sind. Es fasst über weite Strecken den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung zu diesem Thema zusammen. Interessant ist, dass die beiden Professoren gegen den Schluss des Papiers dann die Frage stellen: «Sollten Eigenkapitalanforderungen für Banken erhöht werden?» Es ist die Frage aller Fragen, die nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse den Finanzplatz und die Politik bewegt.

Doch: Statt einer klaren Antwort gibt es eine Aufzählung fast ausschliesslich negativer Punkte. So heisst es, höhere Eigenmittelanforderungen führten zu einer «Reduktion der Verfügbarkeit von Unternehmenskrediten, des Wertschriftenbestandes und der Einlagenbeschaffung». Zudem gebe es «unerwünschte Nebeneffekte»: «Unregulierte Banken» wie gebietsansässige ausländische Zweigstellen könnten ihre Kreditvergabe ausweiten, was auf «regulatorische Schlupflöcher» hindeute.

Die Wahrscheinlichkeit einer «grenzüberschreitenden regulatorischen Arbitrage» würde steigen. In der Folge könnte es zu «Bankabflüssen» und einer «Flucht in Länder» mit niedrigen Eigenkapitalanforderungen kommen. Zudem könnten «stark regulierte Banken eher risikoreiche internationale Kredite vergeben», indem sie sich an Konsortien mit Banken beteiligen, die weniger strengen Eigenkapitalanforderungen unterliegen.

Hinzu kommen negative Folgen für die Volkswirtschaft. «In der Realwirtschaft müssen Unternehmen, die mit den betroffenen Banken Geschäfte machen, damit rechnen, dass sie weniger Kredite aufnehmen können.» Die Banken würden Schulden abbauen, um die geforderten Quoten zu erreichen, was zu einem Rückgang der Investitionen führe.

Eindringliche Warnung

In ihren Schlussfolgerungen warnen die Professoren eindringlich: «Wie bei vielen anderen politischen Entscheidungen spielt der Grad der Risikoaversion eine wichtige Rolle. Geringere Risiken gehen in der Regel mit geringeren Renditeerwartungen einher. In diesem Fall kann eine Verringerung des Risikos zu einer geringeren Kreditvergabe (mittelfristig), einem geringeren erwarteten Wirtschaftswachstum, einem geringeren erwarteten Steueraufkommen, einer geringeren erwarteten Beschäftigung und letztlich einem geringeren erwarteten Lebensstandard führen.»

Den potenziell positiven Aspekten widmen die Autoren nur wenig Raum. So heisst es, dass mittelfristig höhere Eigenkapitalanforderungen «jedoch eine disziplinierende Wirkung» haben können, da die betroffenen Banken ihr Kreditportfolio auf weniger riskante Kreditnehmende umstellen. Und weiter: «Die negativen Auswirkungen höherer Eigenkapitalanforderungen auf die Verfügbarkeit von Krediten könnten nur von kurzer Dauer sein, da sich das Kreditwachstum mittel- bis langfristig wieder erholen dürfte.»

Mit ihrer Public Discussion Note haben sich die SFI-Professoren auf glitschiges Terrain begeben. Mit ihrer impliziten Positionierung gegen höhere Eigenkapitalpuffer machen sie sich angreifbar. Das Swiss Finance Institute wird hauptsächlich von den Banken finanziert, genauer von der Schweizerischen Bankiervereinigung, die naturgemäss gegen eine Verschärfung des Regimes ist. Mit dem Geld der Branche werden unter anderem die Saläre der ordentlichen Professoren erhöht, die an staatlichen Universitäten angestellt sind. Damit soll die Abwanderung von Talenten an finanziell besser gestellte Universitäten im Ausland verhindert werden. Chairman des SFI-Stiftungsrates ist Stefan Seiler, Head Human Resources & Corporate Services der UBS.

Am 5. November wird das Papier im Rahmen einer SFI-Veranstaltung diskutiert. Neben den beiden Autoren werden auch der Basler Professor Yvan Lengwiler, der die Kommission «Bankenstabilität» des Bundes präsidiert hat, Markus Ronner, Mitglied der Konzernleitung der UBS, und Roman Studer, Direktor der Schweizerischen Bankiervereinigung, sprechen.

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